André Haller, CGI

Dr. André Haller

Executive Consultant

Franziska Müller, CGI

Franziska Müller

Consultant

 

Sinkende Preise für VR-Brillen, immer immersivere Virtual- und Augmented-Reality-Erlebnisse sowie eine zunehmende Nutzung in Industrie und Wirtschaft: Die Verbreitung des Metaverse erfolgt zwar nicht schlagartig – es mehren sich jedoch Indizien, dass es in Zukunft immer relevanter wird, auch im Bereich der kommunalen Verwaltung.

Spätestens wenn Bürgerinnen und Bürger das Metaverse so selbstverständlich wie derzeit ihre Smartphones einsetzen, werden sie dort auch die Interaktion mit ihrer Gemeinde suchen. Deshalb sollten Kommunen die möglichen Vorteile frühzeitig erkunden. Eine durchdachte Einbindung des Metaverse birgt das Potenzial, die Bürgerbeteiligung zu erhöhen, Barrieren abzubauen, Prozesse transparenter zu gestalten, Stadtgeschichte zum Leben zu erwecken und bietet Vorteile bei der Gewinnung neuer Talente. Hier einige Beispiele, wie das im kommunalen Kontext aussehen kann.

1. Metaverse erhöht Bürgerbeteiligung und Transparenz bei der Stadtplanung

Wie verändert sich die Stadt, wenn Grünflächen erweitert oder neue Fahrradstraßen gebaut werden? Geplante Änderungsmaßnahmen in der Stadtplanung sind für Bürgerinnen und Bürger oft schwer nachvollziehbar. Mit einem digitalen Zwilling oder einem Abbild der Stadt im Metaverse können Stadtplaner ihre Visionen als begehbares Modell darstellen und so die entstehenden Vorteile besser vermitteln. Das macht Prozesse transparenter, erhöht die Bürgerbeteiligung bei Entscheidungen und steigert das Gemeinschaftsgefühl und die Akzeptanz.

Das hat sich auch bei einem unserer Kundenprojekte gezeigt: Die Stadt wollte einen Bürgersteig vergrößern und mit Grünflächen versehen. Dafür musste allerdings eine mehrspurige Straße verkleinert werden. Als der Stadtrat das Projekt in einer Sitzung vorstellte, regte sich Widerstand. Die Menschen befürchteten, länger im Stau zu stehen und weniger Parkmöglichkeiten zu finden. Die Abbildung der geplanten Maßnahme im Metaverse ermöglichte es den Bürgerinnen und Bürgern, die Vision des Stadtrats mit einer VR-Brille zu erkunden. Als die Menschen sahen, wie viel mehr Platz Fußgänger dadurch erhielten und wie die eingeplanten Grünflächen das Stadtbild verschönerten, waren sie begeistert von der Idee und stimmten für die Umsetzung.

Mit einem digitalen Zwilling lassen sich geplante Bauvorhaben vorab virtuell erkunden. Screenshot einer internen Demo

Abbildung: Screenshot Demo CGI UrbanTwin. Mit einem digitalen Zwilling lassen sich geplante Bauvorhaben vorab virtuell erkunden. 

2. Barrierefreie Interaktionen mit dem Amt dank Metaverse

Die häufigste Interaktion mit der öffentlichen Verwaltung haben Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde. Für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, kann der Gang zum Amt aber eine echte Herausforderung darstellen. Als Tool für die Interaktion mit dem Rathaus erhöht das Metaverse die Barrierefreiheit und vereinfacht Amtsgeschäfte. Im Gegensatz zu herkömmlichen Onlinevorgängen entsteht dabei ein Gefühl persönlicher Präsenz, was die Kommunikation menschlicher macht und Missverständnisse reduziert.

3. Mit dem Metaverse Tourismus neu erleben

Tourismus ist für viele Kommunen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Im Metaverse lassen sich Sehenswürdigkeiten vollständig virtuell abbilden, sodass Interessierte bereits von zu Hause aus einen dreidimensionalen Eindruck gewinnen können – und damit Lust auf einen Besuch vor Ort bekommen. Zusätzlich bereichert Augmented Reality das Erlebnis, indem beispielsweise Burgen aus bestehenden Ruinen virtuell rekonstruiert werden und die Menschen dadurch immersiv erleben, wie die Umgebung früher aussah. So lässt sich Geschichte zum Leben erwecken.

4. Metaverse als Recruiting- und Kollaborations-Tool

Ein gut implementiertes Metaverse steigert die Effizienz und Selbstorganisation der Mitarbeitenden im Arbeitsalltag, etwa indem ortsunabhängig Meetings, Arbeitsgruppen oder Schulungen stattfinden können, die das Gefühl von Präsenzmeetings mit all ihren Vorteilen vermitteln. Gemeinsame Projektarbeit, angeregte Diskussionen und zwischenmenschliche Interaktionen sind durch das Gefühl der physischen Verbundenheit im Metaverse einfach möglich. Hinzu kommt, dass man sich von jetzt auf gleich gemeinsam in virtuellen Modellen bewegen oder beispielsweise technische Bauteile aus nächster Nähe begutachten kann.

Beim Recruiting hilft das Metaverse ebenfalls: Im Bewerbungsprozess können weiter entfernt wohnende Interessenten die Räumlichkeiten und Teams der Gemeinde bereits virtuell kennenlernen und sich mit ihrem zukünftigen Arbeitsumfeld oder sogar dem gesamten kommunalen Gebiet vertraut machen. Das erleichtert nicht nur den Einstieg, sondern begeistert auch stärker als herkömmliche Broschüren oder Websites und präsentiert die innovative Seite der Kommune – was einen wesentlichen Vorteil im Arbeitsmarkt darstellt. Die Bundespolizei sucht ihren Nachwuchs bereits teils per Virtual Reality: Mit der VR-Brille erkunden Interessenten verschiedene Rollen und Einsätze, die sie als Teil der Bundespolizei erleben können.

Seoul zeigt eine mögliche Umsetzung des kommunalen Metaverse

Wie schnell sich das Metaverse in der Breite durchsetzen wird, ist fraglich. Doch viele Indizien deuten darauf hin: Es kommt – und es ist bereits da. Die südkoreanische Hauptstadt Seoul zeigt, wie ein kommunales Metaverse in der Praxis umgesetzt werden kann: Im Jahr 2023 hat die Stadt ihr eigenes Metaverse vorgestellt. Dort können sich Bürgerinnen und Bürger einen Avatar erstellen und damit Amtsgeschäfte erledigen, touristische Attraktionen besuchen oder in der Bücherei stöbern.

Die größten Hürden stellen derzeit die begrenzte Verbreitung der Hardware sowie das fehlende Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Einsatzmöglichkeiten dar. Die Einführung der VR-Brille Apple Vision Pro hat das Interesse am Metaverse jedoch neu entfacht. Die Verbreitung der Hardware wird dank der aktuellen Preisentwicklung steigen: Im Oktober brachte Meta mit der Meta Quest 3S eine kostengünstigere Variante der Meta Quest 3 auf den Markt. Mit erschwinglicheren Geräten werden die Nutzerzahlen steigen, was Raum für neue Ideen, Konzepte und Umsetzungen schafft.

Das Metaverse-Marktvolumen liegt Schätzungen zufolge bei rund 800 Milliarden USD und könnte bis 2030 auf 936 Milliarden USD anwachsen. Prognosen zufolge könnten bis 2026 etwa 25 % der Weltbevölkerung täglich mindestens eine Stunde im Metaverse verbringen, etwa für Arbeit, Unterhaltung, Einkäufe oder soziale Interaktionen. In der Tech-Branche ist deswegen bereits die Rede von einer Revolution der Zusammenarbeit und Kommunikation. Technologieunternehmen wie Meta und Microsoft investieren massiv in die Weiterentwicklung von Metaverse-Ökosystemen. Gleichzeitig setzen Cloud-Dienste wie NVIDIA auf Streaming-Lösungen, die VR-Inhalte ohne teure Hardware zugänglich machen

Diese Entwicklungen legen den Schluss nahe, dass öffentliche Verwaltungen gut daran täten, sich auf eine Verbreitung der Technologie vorzubereiten, mögliche Potenziale und Anwendungsfälle zu erörtern oder Pilotprojekte zu starten. Derzeit bietet sich die Chance, den Einsatz der Technologie von Anfang an aktiv mitzugestalten und so voll auszureizen. Wer diese Chance nutzt, investiert in die Zukunft und profitiert heute schon von einem innovativen Image.

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Wissenswertes zum Metaverse

Der Begriff Metaverse umfasst Konzepte und Visionen vieler Akteure, eine einheitliche Definition gibt es daher bislang nicht. Die meisten Erklärungsansätze stimmen aber darin überein, dass das Metaverse die digitale und reale Welt in einer interaktiven, immersiven Umgebung miteinander verbindet und Barrieren wie räumliche Entfernung beseitigt. Entscheidend ist dabei das physische Empfinden, sich am selben Ort aufzuhalten, wie die anderen virtuell Anwesenden, die als Avatare auftreten.

Die Idee einer physisch erlebbaren virtuellen Realität ist nicht neu. Neal Stephenson beschreibt in seinem 1992 erschienenen Roman Snow Crash bereits eine virtuelle Welt, in der sich die Protagonisten mittels Avataren bewegen. In der Popkultur taucht das Konzept seitdem regelmäßig auf, ein breites Publikum erreichte zuletzt Ernest Clines Roman Ready Player One sowie die gleichnamige Verfilmung. Seitdem Mark Zuckerberg 2021 ankündigte, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen und – um sein Vorhaben zu unterstreichen – seinen Digitalkonzern von Facebook in Meta umbenannte, beschäftigen sich auch Ökonomen und Unternehmen wieder vermehrt mit dem Phänomen und realen Anwendungsfällen. Der Tech-Entrepreneur hat die Vision, einen Großteil des täglichen Lebens ins Metaverse zu verlagern. Freunde treffen, Kinoabende, Klamotten kaufen, aber auch Arbeitsmeetings oder Schulausflüge, sollen demnach künftig im Metaverse stattfinden. Nach eigenen Angaben schätzt Meta aktuell, dass im nächsten Jahrzehnt etwa eine Milliarde Menschen das Metaverse nutzen werden. Auch die Europäische Union nennt virtuelle Welten als eine der zentralen Säulen ihrer Digitalstrategie und schätzt, dass das weltweite Marktvolumen bis 2030 auf über 800 Mrd. Euro steigt.

 

Über diese Autoren

André Haller, CGI

Dr. André Haller

Executive Consultant

Dr. André Haller ist Experte für Digitalisierung im öffentlichen Sektor bei CGI. Mit Erfahrung als Professor, Autor und Berater begleitet er Transformationsprozesse in Verwaltungen. Er verbindet akademisches Wissen, Praxiserfahrung und politische Expertise, u. a. durch Tätigkeiten im Stadtrat und für den Landtag.

Franziska Müller, CGI

Franziska Müller

Consultant

Franziska Müller ist als Innovationsmanagerin bei CGI tätig und setzt sich leidenschaftlich für die Förderung von Innovationen sowohl bei unseren Kunden als auch innerhalb von CGI ein.