Jennifer Skurka, CGI

Jennifer Skurka

Lead Consultant

Die öffentliche Verwaltung steht unter wachsendem Druck, moderner, effizienter und bürgernäher zu werden – das 2025 errichtete Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung verdeutlicht den Handlungsbedarf in diesem Bereich.

Die jährlich von CGI durchgeführte Kundenbefragung Voice of our Clients zeichnet 2025 ein deutliches Bild: Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung erachten die Digitalisierung analoger Prozesse sowie die Modernisierung bestehender IT-Systeme als oberste Priorität. Doch oft bleibt der erhoffte Fortschritt hinter den Erwartungen zurück. Damit Leuchtturmprojekte wie ein Digitaler Zwilling ihre volle Strahlkraft entfalten, müssen die entwickelten Tools von den Beschäftigten akzeptiert und genutzt werden. Für diese bedeutet die Umstellung jedoch oft eine Herausforderung: Sie müssen in kurzer Zeit neue Systeme erlernen, gewohnte Abläufe überdenken und vertraute Routinen aufgeben, was zu Unsicherheit und zusätzlicher Belastung führen kann.

Die zentrale Frage lautet daher: Wie gelingt es, Menschen nachhaltig zu befähigen und mitzunehmen?

In meiner Rolle als Consultant erlebe ich täglich, welche Faktoren dabei entscheidend sind. Anhand der Einführung der eAkte in einer großen deutschen Stadtverwaltung, welche ich mit Wissensmanagement begleite, möchte ich zeigen, wie moderne Befähigungskonzepte und gezieltes Changemanagement den digitalen Wandel erfolgreich unterstützen können.

Warum klassische Schulung nicht reicht

Laut einer Erhebung des TÜV aus dem Jahr 2022 setzen Unternehmen aus dem Bereich IT & EDV besonders auf klassische Präsenz- oder Live-Online-Schulungen – und das aus gutem Grund. Sie sind gut planbar, nachvollziehbar und liefern die zu lernenden Informationen.

Doch in Anbetracht folgender Herausforderungen ist dieser Ansatz für die öffentliche Verwaltung zu kurz gedacht: 

  • Geringe Kapazitäten – Viele Verwaltungen arbeiten bereits mit Personalknappheit. Neue Digitalisierungsprojekte stellen zusätzliche Anforderungen, da Einarbeitung und Anpassung an neue Systeme Zeit und Ressourcen beanspruchen, die im Alltag oft fehlen. Dadurch erhöht sich die Belastung der Beschäftigten, wodurch ihre Zustimmung zu Digitalisierungsmaßnahmen sinkt, wie die Hans Böckler Stiftung in einem Working Paper 2024 festhält.
  • Heterogenität der Lernenden – In der öffentlichen Verwaltung arbeiten Mitarbeitende mit unterschiedlichen Rollen, Aufgaben und auseinandergehenden digitalen Kompetenzen zusammen, wie Ariane Belmer, Leiterin der IT-Stelle des Landesministeriums für Umwelt- und Klimafragen sowie Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen, und Till Becker in einem Paper 2024 erläutern. Diese Vielfalt erfordert differenzierte Lernansätze, um alle Beschäftigten angemessen zu befähigen. Werden diese Unterschiede nicht berücksichtigt, kann dies zu Widerstand gegenüber Digitalisierungsmaßnahmen führen.
     

Im genannten Beispiel der eAkte-Einführung zeigen sich ähnliche Herausforderungen, wodurch klassische Schulungsformate zu starr, zu weit weg vom Arbeitsalltag und zu wenig individualisierbar sind. Flexible Lernangebote sind erforderlich, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Befähigung braucht Kontext durch gezieltes Change Management

Ein erprobtes Vorgehen ist das vom Unternehmen PROSCI entwickelte ADKAR-Modell. Demzufolge ist ein Veränderungsvorhaben nur dann erfolgreich, wenn jede davon betroffene Person individuell die folgenden fünf Schritte durchläuft: Awareness, Desire, Knowledge, Ability und Reinforcement (vgl. Abbildung).

Grafische Darstellung des ADKAR-Modell: Awarness, Desire, Knowledge, Ability und Reinforcement

 

Befähigung vereint dabei Wissen (Knowledge), Fähigkeit (Ability) und Verstärkung (Reinforcement). Doch damit Befähigung überhaupt greifen kann, müssen Menschen verstehen, warum sich etwas verändert (Awareness), und die Motivation verspüren, Teil dieser Veränderung zu sein (Desire). Nur dann sind sie offen, sich mit den Veränderungen aktiv auseinanderzusetzen und sich auf Lernangebote einzulassen. Entscheidend ist dabei eine klare Vision, die richtige Kommunikation und eine positive Haltung der Führungskräfte.

Wie gut dieses Modell funktioniert, erlebe ich als Beraterin immer wieder. Bei der erwähnten Einführung der eAkte wurde dieses Modell gewählt und in folgenden Maßnahmen umgesetzt: 

  • Vision: Die Stadtverwaltung verfolgt eine umfassende Digitalisierungsstrategie, in der die Einführung der eAkte bis 2025 als fester Bestandteil mit offiziellem Beschluss verankert ist. Ziel ist es, papierbasierte Prozesse abzulösen, Bearbeitungswege zu beschleunigen und flexiblere Arbeitsformen zu ermöglichen – und damit den Schritt hin zu einer modernen, digitalen und serviceorientierten Verwaltung zu gehen.
  • Kommunikation: Um diese Vision breit zu verankern, veranstaltet die Stadt stadtweite eAkte-Infotage im hybriden Format, bei denen Projektbeteiligte aktuelle Entwicklungen vorstellen, mit Referaten in den Dialog treten, Fragen beantworten und Vorbehalte ernst nehmen.
  • Haltung der oberen Führungsebene: Bürgermeister und CDO der Stadt stehen sichtbar hinter dem Vorhaben und unterstreichen dessen Bedeutung – etwa durch Ansprachen und Podiumsdiskussionen beim stadtweiten eAkte-Infotag.
  • Das Ergebnis ist eindeutig: Die Beschäftigten verstehen die Notwendigkeit der Veränderung, erkennen die Vorteile und lassen sich leichter darauf ein. Erst auf dieser Grundlage kann Befähigung mit modernen New-Learning-Ansätzen wirksam ansetzen.
     

New Learning als Schlüssel

New Learning versteht Lernen nicht als einmalige Schulungsveranstaltung, sondern als aktiven und individuellen Prozess der Wissenskonstruktion. Es baut auf vier Prinzipien auf: Learning by Doing, Selbststeuerung, soziale Interaktion und Agilität.

Die Stadtverwaltung setzt bei der Einführung der eAkte auf ein breites Spektrum an Formaten, die diese Prinzipien berücksichtigen:

  • Zielgruppenspezifische Grundlagenschulungen: Ein zentrales eAkte-Schulungs- & Wissensteam bietet fortlaufend interaktive Schulungen für Anwendende sowie für Schlüsselrollen wie Multiplikatoren, Fachadministratoren und Führungskräfte an, in denen die Grundfunktionen der eAkte zur Vorgangsbearbeitung gemeinsam erprobt werden. Dieser Schritt ermöglicht das Learning by Doing.
  • Fachbereichsnahe Befähigung durch Multiplikatoren: Die Inhalte der Grundschulungen werden für die Anwendenden in den Fachbereichen auf die jeweiligen Geschäftsprozesse zugeschnitten und mit Unterstützung der Multiplikatoren anhand konkreter Fälle eingeübt. Dies bietet ebenfalls die Möglichkeit des praxisbezogenen Lernens und ermöglicht zugleich Agilität durch flexible Anpassung an individuelle Bedürfnisse.Zentrale Online-Wissensdatenbank: Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Videos und eLearning-Module stellt das zentrale eAkte-Schulungs- und Wissensteam auf einer stadtweit zugänglichen Wissensdatenbank bereit, sodass sie jederzeit als Nachschlagewerk genutzt werden können. So können Mitarbeitende ihren Lernprozess selbst steuern und an ihre persönlichen Anforderungen anpassen.
  • Communities und Chatbereiche: Unterschiedliche Zielgruppen tauschen sich regelmäßig in Online-Terminen sowie fortlaufend über Chatbereiche aus. Sie teilen ihre Erfahrungen und geben Best Practices zur Einführung, Administrierung oder Nutzung der eAkte weiter. Auf diese Weise wird Lernen zu einem gemeinschaftlichen Prozess und die Mitarbeitenden unterstützen sich gegenseitig.
     

So wird Wissen nicht nur vermittelt, sondern durch einen gezielten Kompetenzaufbau nachhaltig verankert.

Erfolgsfaktoren für eine nachhaltigen digitalen Wandel

Digitalisierung entfaltet ihren Mehrwert erst dann, wenn Mitarbeitende die neue Anwendung sicher beherrschen. Technik allein reicht nicht – entscheidend ist die Befähigung der Menschen, den Wandel aktiv zu gestalten.

Dabei haben sich in meinen begleiteten Projekten folgende Prinzipien als besonders wirksam herausgestellt:

  • Führungskräfte als Schlüsselrolle – ohne ihre Überzeugung fehlt die Motivation in der Organisation.
  • Klare Kommunikation – Befähigungsangebote aktiv promoten, sichtbar machen und wiederholt erklären.
  • Fokus auf das Wesentliche – Materialien, die die Kernfunktionen beschreiben, ohne ins Detail zu gehen, erleichtern neuen Anwendenden den Einstieg.
  • Pragmatische Methoden – einfach und praxisnah vorgehen statt überladene Trainingskonzepte.
  • Kontinuität sicherstellen – Nachschlagewerke, fortlaufende Sprechstunden und Unterstützung durch Multiplikatoren sichern den Transfer.
  • Basis bereitstellen – zentrale Angebote schaffen, die Fachbereiche flexibel adaptieren können.
     

Wer diese Grundsätze beherzigt, legt den Grundstein für eine nachhaltige Veränderungskultur. So wird aus der Einführung einer IT-Anwendung nicht nur ein Projekt, sondern ein echter Schritt in Richtung einer modernen, serviceorientierten Verwaltung, die den digitalen Wandel lebt.

Über diesen Autor

Jennifer Skurka, CGI

Jennifer Skurka

Lead Consultant

Jennifer Skurka begleitet IT-Projekte in den Bereichen Wissensmanagement, Community Management und Change Management und fokussiert sich dabei auf die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungsprozessen im öffentlichen Sektor.