Die wichtigsten Themen dieses Blog-Artikels:
Im ersten Teil dieses Blog-Artikels habe ich beschrieben, welche besonderen Bedingungen für MVPs in der Payment-Branche gelten. Im zweiten Teil stehen nun die Faktoren im Fokus, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Wie gelingt die perfekte Balance zwischen „Minimum“ und „viable“?
Schauen wir uns einige Beispiele an, in denen Unternehmen im Payment-Bereich durch die richtige Balance zwischen „Minimum“ und „viable“ mit ihren Produkten erfolgreich waren und sind. Sie folgten vielleicht nicht explizit dem MVP-Konzept, doch in allen Fällen standen zum Markteintritt nur gezielt ausgewählte Funktionen zur Verfügung. Basierend auf den ersten Nutzererfahrungen wurden diese dann kontinuierlich erweitert.
1. Erfolgsstory: Apple Pay
Ein herausragendes Beispiel ist Apple Pay. Als Apple vor etwa zehn Jahren mit der ersten Version an den Markt ging, war das Produkt auf das einfache, kontaktlose Bezahlen mit iPhone und Apple Watch am Point-of-Sale beschränkt. Anstatt eine vollumfängliche Bezahlmöglichkeit für alle denkbaren Anwendungsfälle zu entwickeln, verzichtete Apple bewusst auf bestimmte Funktionen, zum Beispiel das Bezahlen im Online-Handel. Technologisch setzte man auf die vorhandene NFC-Technologie, sodass Apple Pay nur dort genutzt werden konnte, wo bereits NFC-fähige Terminals vorhanden waren. Trotz dieser Einschränkungen bot die neue, bequeme Zahlungsoption genügend Mehrwert, um von den Kundinnen und Kunden ebenso wie von den Händlern akzeptiert zu werden. Geografisch konzentrierte sich Apple zunächst auf den US-Markt. Bekanntermaßen wurde Apple Pay kontinuierlich weiterentwickelt und spielt heute auch bei Online- und In-App-Käufen eine nennenswerte Rolle. Neben der konsequenten Ausrichtung auf das Nutzerfeedback hat Apple weitere wichtige Steps gemeistert: den schrittweisen Markteintritt in internationale Märkte und das Eingehen strategischer Partnerschaften mit Banken und Zahlungsdienstleistern.
2. Erfolgsstory: Klarna
Eine ähnliche Erfolgsgeschichte mit einem anfangs stark begrenzten Funktionsumfang hat Klarna aufzuweisen. Das Unternehmen konzentrierte sich zu Beginn ausschließlich auf eine einzige Zahlungsmethode: den Rechnungskauf im Online-Handel. Einer spezifischen Zielgruppe bot es damit eine vertrauenswürdige Alternative für Einkäufe im Internet. Klarna startete zunächst im Heimatmarkt Schweden, um dort erste Erfahrungen zu sammeln. Durch gezielte Weiterentwicklungen, die sich an den Bedürfnissen und Bedenken der Kundinnen und Kunden orientierten, entwickelte sich Klarna im Lauf der Zeit zu einer umfassenden Plattform. Heute ermöglicht diese, Einkäufe auf unterschiedlichste Weise zu bezahlen – je nach Präferenz und finanzieller Situation. Nach der Expansion in weitere europäische Märkte wurden auch die USA und Australien schrittweise erschlossen. Dabei blieb Klarna nicht nur auf die Endkundinnen und -kunden fokussiert, sondern vereinfachte auch die Integration seiner Produkte in die Systeme der Händler kontinuierlich. Diese Anpassungen trugen wesentlich zur weiteren Verbreitung und Akzeptanz der Plattform bei.
3. Erfolgsstory: Stripe
Ein weiteres Positivbeispiel aus einer anderen Ecke des Payment-Markts ist Stripe. Statt mit einem marktüblich vollumfänglichen Payment-Gateway zu starten, setzte Stripe zu Beginn auf die Bedürfnisse von Entwicklerinnen und Entwicklern und überzeugte sie mit einer äußerst einfach zu integrierenden Schnittstelle (API). Der Funktionsumfang war bewusst minimalistisch gehalten, aber dennoch robust und leistungsfähig. Ganz im Sinne des MVP-Ansatzes reagierte Stripe schrittweise auf das Feedback der Nutzerinnen und Nutzer: Das Portfolio an Zahlungsarten und Dienstleistungen wurde kontinuierlich erweitert. Mittlerweile gehören dazu unter anderem Services zur Buchhaltungsautomatisierung, Steuerberechnung und Rechnungsstellung. Durch die ständige Weiterentwicklung wandelte sich Stripe von einer Entwicklerlösung zu einer umfassenden Plattform, die den Zahlungsverkehr auf globaler Ebene vereinfacht und Unternehmen jeder Größe anspricht.
Und was lässt sich aus gescheiterten MVP-Projekten lernen?
Doch nicht jedes Unternehmen, das zunächst mit einem beschränkten Funktionsumfang an den Markt ging, konnte sich langfristig damit durchsetzen. Die folgenden Beispiele zeigen, dass der Erfolg eines MVPs nicht allein von einem schnellen Markteintritt abhängt. Es wird deutlich, welche Faktoren das Scheitern begünstigen können und warum die Balance zwischen „Minimum“ und „viable“ manchmal nicht ausreichte.
1. Beispiel: Paydirekt
Im deutschen Markt ist ein naheliegendes Beispiel für ein gescheitertes MVP Paydirekt: ein Produkt, das zunächst als einfache, funktional reduzierte Lösung auf den Markt kam. Ziel war es, eine sichere Bezahlmöglichkeit zu schaffen, die Kundinnen und Kunden die direkte Zahlung über ihr Girokonto im Online-Handel ermöglichte. Im Gegenzug wurde Händlern bei ausreichender Kontodeckung eine sofortige Zahlungsbestätigung zugesichert. Allerdings fehlte Paydirekt ein klarer Mehrwert im Vergleich zu etablierten Lösungen wie PayPal. Der Anreiz, auf den neuen Dienst umzusteigen, blieb für Kundinnen und Kunden wie für Händler gering. Die komplexe Zusammensetzung der beteiligten Banken und die damit verbundenen langwierigen Abstimmungsprozesse führten zudem zu erheblichen Verzögerungen in der Weiterentwicklung. So konnte, wenn überhaupt, nur langsam auf Kundenbedürfnisse und Marktveränderungen reagiert werden. Der essenzielle Aspekt einer MVP-Strategie, das Produkt kontinuierlich und agil in kurzen Zyklen weiterzuentwickeln, blieb leider aus.
2. Beispiel: V.me
Ein ähnliches Schicksal ereilte V.me, die digitale Wallet-Lösung von Visa. Der Markteintritt erfolgte mit einem begrenzten Funktionsumfang, bei dem Zahlungen direkt über das Kreditkartenkonto der Nutzerinnen und Nutzer abgewickelt wurden. Zunächst in Europa und den USA eingeführt, sollte V.me nach ersten Erkenntnissen schrittweise weltweit ausgerollt werden. Doch auch hier erwies sich die fehlende Differenzierung als wesentlicher Schwachpunkt: Für Endkundinnen und -kunden war der Mehrwert gegenüber etablierten Alternativen wie PayPal oder der direkten Kreditkartenzahlung kaum ersichtlich, und weitere Funktionen wurden nicht nachgereicht. Mangels erkennbaren Nutzervorteils fand V.me nur begrenzt Akzeptanz und konnte sich langfristig nicht im Markt etablieren.
3. Beispiel: Google Checkout
Auch Google Checkout ist ein Beispiel, bei dem der Markteintritt mit beschränktem Funktionsumfang und dem Fokus auf eine enge Zielgruppe – kleine Online-Händler – letztlich nicht zum Erfolg führte. Neben der bereits anfänglich fehlenden Differenzierung gegenüber bestehenden Lösungen versäumte es Google, zeitnah auf das Nutzerfeedback zu reagieren und notwendige Updates oder zusätzliche Services bereitzustellen. Die Integration von Google Checkout in die Systeme der Händler gestaltete sich aufwendig, und auch die User Experience konnte am Ende niemanden überzeugen.
Worin bestehen die wesentlichen Erfolgskriterien?
Aus den verschiedenen Beispielen lassen sich einige grundlegende Faktoren ableiten:
- Die erfolgreichen Anbieter richteten sich von Beginn an konsequent an klar definierte Zielgruppen; das MVP stellte gezielt deren konkrete Bedürfnisse in den Mittelpunkt.
- Um erste Erfahrungen zu sammeln, erfolgte die Einführung meist zunächst im Heimatland des Anbieters, bevor schrittweise weitere Märkte erschlossen wurden.
- Bei den erfolgreichen Produkten wurde kontinuierlich und zeitnah auf das Feedback und Nutzungsverhalten der Zielgruppe reagiert.
- Der Markterfolg war durch das Einbinden unterschiedlicher Akteure in die Wertschöpfungskette geprägt, z. B. durch gezielte Partnerschaften oder eine einfache technische Integration, aus der sich ein Netzwerkeffekt ergab.
Live gegangen – und was nun?
In Bezug auf den MVP-Ansatz kommt es häufig zu einem bestimmten Missverständnis: Die Unternehmen definieren zunächst, welche Features das Produkt vollständig konkurrenzfähig machen würden. Dann gehen sie mit einem Bruchteil dieser Funktionen an den Markt, um die restlichen nach und nach zu ergänzen.
Dabei wird oft auf eine starre Roadmap zurückgegriffen, die je nach Budget und Ressourcenlage abgearbeitet wird. Diese Planungen orientieren sich meist an bestehenden Konkurrenzprodukten. Doch diese Herangehensweise verfehlt den Kern des MVP-Ansatzes: gezielt aus der tatsächlichen Nutzung des Produkts zu lernen und in kurzen Zyklen diejenigen Funktionen weiterzuentwickeln, die von den Nutzerinnen und Nutzern besonders nachgefragt werden oder in der aktuellen Version noch unzureichend sind.
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine klare Differenzierung vom Wettbewerb und vermeidet die reine Nachbildung von Konkurrenzprodukten. Ebenso wichtig ist es, dem MVP von Anfang an einen ausreichend attraktiven Funktionsumfang zu geben, um mehr Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen –schließlich liefern deren Verhalten und Rückmeldungen wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung.
Um vom MVP-Ansatz optimal zu profitieren, ist es auch entscheidend, das Nutzerfeedback systematisch zu erfassen. Dies kann durch die Analyse von Nutzerdaten oder durch direkte Befragungen und Gespräche mit Kundinnen und Kunden sowie Vertriebsorganisationen erfolgen, die in direktem Kontakt mit ihnen stehen. So wird sichtbar, welche Erweiterungen den größten Mehrwert bieten.
Hierbei empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen und bei jeder neuen Funktion in Erfahrung zu bringen, wie die Kundinnen und Kunden darauf reagieren und ob sich neue Bedürfnisse abzeichnen. Parallel dazu ist es wichtig, das Wettbewerbsumfeld und technologische Entwicklungen im Blick zu behalten, um agil auf neue Marktanforderungen reagieren zu können. Sobald das Produkt bei der anfänglich gewählten Zielgruppe den gewünschten Erfolg erzielt, kann die Expansion auf weitere Interessentengruppen oder geografische Regionen in Angriff genommen werden.
MVPs als Schlüssel zur erfolgreichen Innovation – auch im Payment-Bereich
Die Beispiele zeigen, dass der MVP-Ansatz – wenn richtig angewendet – auch im Payment-Bereich zu innovativen Lösungen mit einer hohen Marktakzeptanz führen kann. Gerade in einem stark regulierten und komplexen Umfeld wie dem Zahlungsverkehr ist es aber gar nicht so einfach, die richtige Balance zwischen Markteintrittsgeschwindigkeit und notwendiger Funktionalität zu finden. Doch genau diese ist notwendig, um eine kritische Masse an Nutzerinnen und Nutzern zu erreichen, aus deren Feedback sich nachhaltig lernen lässt.
Erfolgreiche MVPs im Payment-Sektor kombinieren den Markteinstieg daher mit einer klaren Differenzierungsstrategie, schnellem Lernen aus Nutzerfeedback und kontinuierlicher Weiterentwicklung. Dabei sind der Austausch und die Kooperation mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette entscheidend, um einen langfristigen Markterfolg zu erzielen.
Sie wollen gerne mehr über MVPs im regulierten Umfeld erfahren und interessieren sich für innovative Payment-Lösungen, die sich erfolgreich am Markt etablieren lassen? Sprechen Sie mich gerne dazu an.