Die Rahmenbedingungen für Raffinerien haben sich grundlegend verändert: Geopolitische Spannungen und die Risiken, denen globale Lieferketten heute unterliegen, lassen digitale Technologien zur betrieblichen Notwendigkeit werden. Vor allem künstliche Intelligenz (KI) eröffnet hier neue Möglichkeiten.
Raffinerien gehören zu den Schwergewichten der Industrie: Sie sind komplex, sicherheitskritisch und auf maximale Verfügbarkeit ausgelegt. Dazu hielt sich die Branche bei der digitalen Transformation lange zurück. Die Gründe hierfür liegen in der hohen Anlagenkomplexität, den schmalen Margen und den besonderen Anforderungen der Branche.
Doch die letzten Jahre haben die Verwundbarkeit industrieller Wertschöpfung offengelegt und einen gravierenden Wandel ausgelöst. Digitale Technologien sind heute kein optionales Zukunftsthema mehr – sie sind eine betriebliche Notwendigkeit. Insbesondere durch den Einsatz von KI lassen sich Anlagen besser auslasten, Wartungsprozesse optimieren und ungeplante Stillstände aktiv vermeiden.
Die digitale Raffinerie: Technologie bringt den Durchbruch
Der Kern der digitalen Raffinerie ist ein intelligent vernetzter Anlagenbetrieb, der beste Voraussetzungen für das reibungslose Zusammenwirken von Menschen, Daten und Systemen schafft. KI übernimmt dabei eine Schlüsselrolle: Sie hilft, die Wartungsbedarfe frühzeitig zu erkennen, die Lieferketten flexibler zu steuern, die Produktqualität abzusichern und die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.
Unternehmen, die diese Technologien implementieren, sichern sich nicht nur unmittelbare Effizienzgewinne, sie gestalten ihre Anlagen auch resilienter, wirtschaftlicher, nachhaltiger – und machen sie damit fit für die Anforderungen von morgen.
Technologische Basis: Industrie 4.0 trifft Industrie 5.0
Bevor KI-Anwendungen ihre volle Wirkung entfalten können, schaffen folgende Industrie-4.0-Technologien das nötige Fundament:
- IT-OT-Konvergenz: Intelligente Sensorik, SCADA-Systeme, Cloud Computing und Edge Processing ermöglichen Echtzeit-Monitoring und datengestützte Entscheidungen.
- Digitale Workflows: ERP-Systeme und digitale Anwendungen ersetzen papierbasierte Prozesse und verbessern die Effizienz und Compliance.
- Digitale Zwillinge: Virtuelle Modelle von Raffinerien erlauben Simulationen, prädiktive Analysen und schnellere Fehlerdiagnosen.
- Robotik: Autonome Roboter und robotische Systeme unterstützen Inspektionen in Gefahrenbereichen sowie die Wartung und den Betrieb.
Mit Industrie 5.0 kommen wichtige Erweiterungen hinzu:
- Mensch-Maschine-Kollaboration: Cobots, digitale Drillinge (um generative KI erweiterte digitale Zwillinge), Exoskelette, Augmented Reality und komplexe Agentensysteme verbinden die menschliche Kreativität mit maschineller Effizienz.
- Personalisierung: Durch die intelligente Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine werden hochgradig individualisierte Produktionsprozesse möglich.
Daten als kritischer Erfolgsfaktor: KI braucht Qualität
KI entfaltet ihr volles Potenzial nur auf Basis hochwertiger Daten. In Raffinerien sind dabei folgende Datenquellen entscheidend:
- Prozessdaten (Temperatur, Druck, Durchfluss)
- Asset-Zustandsdaten (Vibrationen, Sensorsignale)
- Qualitätsdaten von Einsatzstoffen und Produkten
- Betriebsdaten (Energieverbrauch, Produktionsmengen)
- Wartungsprotokolle und Umweltparameter (Marktpreise, Bedarfsprognosen)
Vor allem Zeitreihendaten sind essenziell, um Ausfälle vorherzusagen und die Betriebsprozesse zu optimieren. Umgekehrt führt schlechte Datenqualität zu Fehlentscheidungen – deshalb wird strategisches Datenmanagement zum geschäftskritischen Faktor.
KI in der Praxis: für einen störungsfreien Betrieb und niedrigere Kosten
Ungeplante Stillstände zählen zu den größten wirtschaftlichen Risiken in der Raffinerieproduktion. Schon zweitägige Ausfälle können Millionenverluste verursachen. KI-basierte vorausschauende Wartung und IoT-Sensorik helfen, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.
Business Case: Return on Investment bei KI-Implementierung
- Durchsatz: 100.000 Barrel/Tag
- Stillstand: 2 Tage
- Produktionsverlust: 15 Mio. USD
- KI-Investition (IoT + Analytics): 1,5 Mio. USD
- Einsparpotenzial durch frühzeitige Intervention: 7,5–12,5 Mio. USD
KI-Einsatz in der Instandhaltung: für eine optimale Wartung und mehr Performance
KI-gestützte digitale Zwillinge identifizieren Anomalien in kritischen Anlagenkomponenten wie Kompressoren, Turbinen, Motoren und Pumpen. Machine-Learning-Modelle verfeinern kontinuierlich die Prognosen und optimieren die Wartungszyklen. Darüber hinaus ergeben sich weitere Vorteile durch digitale Drillinge. Dabei handelt es sich um durch generative KI erweiterte digitale Zwillinge, mit denen sich in menschlicher Sprache und ohne die Unterstützung durch Expertinnen und Experten interagieren lässt. Sie ermöglichen eine geschäftskennzahlenorientierte Sicht auf Prozesse und damit eine gesteigerte Gesamtperformance der Anlage.
Echtzeit-Monitoring
Digitale Zwillinge unterstützen in Echtzeit dabei:
- Anomalien frühzeitig zu erkennen und Ausfälle proaktiv zu vermeiden
- Betriebsparameter dynamisch anzupassen und die Leistungseffizienz zu optimieren
- Fehlalarme signifikant zu reduzieren und Wartungskosten zu senken
Ausblick: KI als Gamechanger für Raffinerie
Die KI-getriebene Transformation erschließt neue Effizienzpotenziale, senkt die Betriebskosten und verbessert die Anlagensicherheit von Raffinerien nachhaltig.