Thomas Keller, CGI

Thomas Keller

Director Consulting

Welche Auswirkungen haben die durch die Europäische Union formulierten Umweltziele auf den individuellen Zahlungsverkehr? In unserem mehrteiligen Blogbeitrag Sustainable Payments zeigen wir verschiedene Facetten der aktuellen Entwicklung auf – von den ab 2023 gültigen neuen Voraussetzungen in diesem Artikel über die Emissionen der verschiedenen Bezahlsysteme in Artikel 2 bis zum CO2-Einsparpotenzial durch Request-to-Pay in Artikel 3.

Umfassender Wandel durch Umweltziele

„Nachhaltigkeit“ wird längst als Buzzword wahrgenommen – wie „Digitalisierung“, „Metaverse“ oder „mobile Payment“. Als solches ist es stark genug, um Etats zu shiften, Projekte zu rechtfertigen und Beratungen zu beauftragen. Analysiert man das Thema eingehender, wird jedoch schnell klar, dass es sich bei Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit keineswegs um Aktionismus handelt. Die Umweltziele, die die Europäische Union im Strategiepapier der European Green Deals1 und in den darauf beruhenden Regulierungen formuliert hat, sind weitgreifender als alle technologischen Neuerungen unserer Zeit. Sie haben das Potenzial, die Art unseres Wirtschaftens grundlegend zu verändern.

Ein großes gemeinsames Vorhaben

Mit ihren konzertierten Regulierungen zielt die Europäische Union darauf ab, die europäische Wirtschaft auf der Basis von nachhaltigen Kennzahlen neu zu gestalten. Um dies zu erreichen, sollen bereits bestehende Finanzströme in nachhaltige Projekte umgelenkt und diese darüber hinaus mit zusätzlich bereitgestellten Geldern gefördert werden. Mit den EU-Umweltzielen2 wurde zunächst ein tragfähiges theoretisches Fundament dafür geschaffen.

EU-Umweltziele3

•    Klimaschutz
•    Anpassung an den Klimawandel
•    nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
•    Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
•    Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
•    Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Von der Theorie zur Tat

Um die Umsetzung des Vorhabens zu ermöglichen, wurden die theoretischen Umweltziele über die EU-Taxonomie4 sehr detailliert operationalisiert und nachhaltiges Wirtschaften auf greifbare Kennzahlen heruntergebrochen. Den entscheidenden Schub erfährt diese Operationalisierung jedoch im Zusammenspiel mit dem ab 2023 gültigen verpflichtenden Berichtswesen, das auf Teile der Industrie und die Akteure der Finanzindustrie zukommt.

Neue Voraussetzungen ab 2023

Bereits ab Januar 2023 soll ein Prozentwert für jedes am Markt lancierte Finanzprodukt zeigen, wie viel des eingesetzten Kapitals den Kriterien der EU-Nachhaltigkeitsziele und der EU-Taxonomie entspricht. Die zum Ermitteln des Anteils notwendigen Daten entstammen zukünftig der Nachhaltigkeits-Berichterstattung der Unternehmen5 sowie der zentralen ESAP6-Datenbank, die alle relevanten Kennzahlen öffentlich und transparent zusammenführen soll. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung an die Dateninfrastruktur, IT- und Kennzahlensysteme sowie das Berichtswesen vieler Stakeholder der Finanzindustrie dar.

Auswirkungen auf den individuellen Zahlungsverkehr

Während innereuropäische Zahlungsströme, die größere Investitionen betreffen, von Regulierungen erfasst und neu bewertet werden, steht der Individual-Zahlungsverkehr der über 285 Millionen geschäftsfähigen Europäerinnen und Europäer7 gegenwärtig noch nicht im Fokus. Die Auseinandersetzung damit eröffnet jedoch interessante Einsichten über das eigene Handeln und die Chance, „vor der Welle“ den Markt zu gestalten.

Die Einschätzung der Nachhaltigkeit barer und unbarer Bezahlvorgänge im Handel ist allerdings hochgradig komplex. Umweltziele wie Müllvermeidung oder Schutz maritimer Ressourcen eignen sich nur bedingt, Zahlungssysteme sinnvoll beurteilen oder vergleichen zu können. Den CO2-Fußabdruck, der durch die unterschiedlichen Bezahlvorgänge verursacht und auch in der EU-Taxonomie verwendet wird, als Kennzahl heranzuziehen, stellt eine sinnvolle Option dar. Dazu müssen die Zahlvorgänge als Teil eines übergeordneten Zahlungssystems begriffen werden. So gelingt es, die einzelnen Fußabdrücke wirklich miteinander zu vergleichen.

 


1 https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de
2 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R0852&from=de
3 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32020R0852
4 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:32021R2139&from=DE
5 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:32014L0095&from=EN
6 https://www.eesc.europa.eu/de/our-work/opinions-information-reports/opinions/european-single-access-point-esap
7 https://data.worldbank.org/indicator/SP.POP.1564.TO?locations=EU

Über diesen Autor

Thomas Keller, CGI

Thomas Keller

Director Consulting

Thomas Keller arbeitet als Director Consulting bei CGI. Er ist ein ambitionierter Digital Native mit über 12 Jahren Erfahrung in verschiedenen digitalen Industrien und Geschäftsmodellen. Mit langjähriger Erfahrung in Digital Payments, Issuing und Acquiring findet er passende Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Kunden. In ...