Christof Krameyer, CGI

Christof Krameyer

Vice President Consulting Expert

Die Zeit der ersten Gehversuche ist vorbei. Mittlerweile hat Künstliche Intelligenz (KI) Einzug in unseren Alltag gehalten. Sprach- und Chatbots unterstützen Callcenter von Versicherungen und Telefonkonzernen bei der Vor-Qualifizierung von Sachverhalten, bevor der Anrufende zum Callcenter Agent weitergeleitet wird.

KI funktioniert nicht allein. Sie nutzt bereits vorliegende Informationen, auf die statistische Methoden und Analyse-Algorithmen angewendet werden können. Wie gut KI wirklich ist, wird durch die vorliegende Datenqualität bestimmt – sowie dadurch, wie gut das dahinterliegende Modell ist und wie gut es sich trainieren lässt, damit KI auch lernen kann. Die Modelle zum Training werden immer besser, und dank zunehmender Rechnerkapazitäten werden die Algorithmen immer schneller. Diese Technik ist somit prädestiniert, auch die Polizei bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen, bei der der Faktor Zeit eine wichtige Rolle spielt.

Diese Entwicklung hält bereits Einzug bei der Polizei. Und das muss sie auch. Denn steigende Internetkriminalität und das, was sich auf den Social-Media-Plattformen abspielt, zwingen die Polizei, neue Wege bei der Strafverfolgung zu gehen.

Hatespeech in die Schranken weisen

Ein zentrales Thema ist Hatespeech (Hassrede). In den Ländern gibt es bereits Meldestellen oder es werden Arbeitsgruppen eingerichtet. Hier kann KI unterstützen, indem gemeldete Vorfälle analysiert und anhand von Annotationsschemata1 und Klassifizierungskatalogen kategorisiert werden. Denn mit dem zunehmenden Trend übersteigt zum einen die schiere Anzahl der Meldungen das, was das vorhandene Personal abarbeiten kann. Zum anderen sind viele Falschmeldungen dabei, die strafrechtlich nicht relevant sind. Der Ansatz ist hier, mit KI eine Erstüberprüfung zu ermöglichen, die bei einer positiven Erstevaluation die Informationen automatisiert sichert und das Ergebnis an die zuständige Fachstelle weiterleitet. Die schlussendliche Einstufung obliegt dann dem Polizeipersonal.

Auf dem Europäischen Polizeikongress haben wir hierzu einen Hatespeech Demonstrator präsentiert, der auf unserem Produkt Text AI aufsetzt. Dieser enthält bereits die grundlegenden Funktionen und wird sukzessive weiter ausgebaut.

Große Mengen von Notrufen bewältigen

Ein weiteres Anwendungsszenario ist für polizeiliche Leitstellen oder Integrierte Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdienst denkbar. Größere Lagen oder Unwetterkatastrophen wie im letzten Sommer im Ahrtal führen zu einem Anschwellen der Notrufe – die selbst bei voller Besetzung der Leitstelle nicht alle sofort bearbeitet werden können. Es bilden sich Warteschlangen, und wertvolle Zeit verstreicht. Diese kann genutzt werden, indem ein Sprachbot beginnt, die Sachverhalte im Dialog mit der Anruferin oder dem Anrufer zu ermitteln. Gestützt durch die Abfragebäume einer Standardisierten Notruf Abfrage (SNA) führt der Sprachbot das Gespräch und ermittelt ein Einsatzstichwort. Durch eine Speech2Text-Komponente werden Daten wie Name, Anschrift, Erreichbarkeit sowie der Sachverhalt verschriftlicht und strukturiert in einem Einsatzformular erfasst. Ist die Disponentin oder der Disponent wieder frei, sieht sie oder er sich den Notruf-Datensatz an, ruft bei Unklarheiten zurück und kann direkt das nächste freie Einsatzmittel disponieren. Der Sprachbot könnte ein Zusatzangebot der Leitstellen sein, das den Anrufenden durch eine entsprechende Ansage vorgeschlagen wird. Alternativ können die Anrufenden in der Warteschleife bleiben, bis die Disponentin oder der Disponent den Anruf persönlich entgegennehmen kann. Gerade bei einem Notruf dürfte dies noch vielen Menschen lieber sein. Die Faktoren Panik und Angst sind nicht zu unterschätzen.

Schnellere Fahndungserfolge

Ein weiteres typisches Anwendungsgebiet von KI ist die Fahndungsunterstützung durch automatische Gesichtserkennung bei Video-Aufzeichnungen im öffentlichen Raum – in Deutschland müssten hierzu allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Ist der Täter bekannt und liegen Fotos dieser Person vor, kann die KI in den Videobildern gezielt nach dieser Person suchen. Sie kann wertvolle Hinweise für eine Fahndung oder die kriminalpolizeiliche Aufklärung geben, indem die Kräfte zur neuen Position nachgeführt werden. Die Polizei in London nutzt diese Möglichkeiten in der Police National Database, die zusammen mit CGI entwickelt, betrieben und unter dem Namen ID 360 weiterentwickelt wird.

Anleitung durch digitale Assistenten

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Einsatzbewältigung mit Assistenzsystemen zu unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel die Anleitung von Beamtinnen und Beamten bei der Beweisaufnahme im Zusammenhang mit Cybercrime-Straftaten. Zu diesem Zweck hat die Polizei in Niedersachsen mit dem Cyberguide den digitalen Assistenten Mr. Know von Inspire Technologies ausgerollt. Solche Systeme haben großes Potenzial. Zum Beispiel können sie auch Bürgerinnen und Bürger bei der Meldung von Hatespeech unterstützen: In Form eines Chatbots können sie erklären, wie die Inhalte auf der jeweiligen Social-Media-Plattform für eine gerichtsfeste Dokumentation zu sichern sind.

Sie wollen noch mehr darüber erfahren, wie KI die Polizeiarbeit in Zukunft erleichtern kann? Ich tausche mich sehr gerne darüber mit Ihnen aus und freue mich, wenn Sie mich kontaktieren.

 

1Annotationsschemata = analytische Anmerkungen, um Inhalte, die nur von Menschen verstanden werden, auch für Maschinen interpretierbar zu machen.

Über diesen Autor

Christof Krameyer, CGI

Christof Krameyer

Vice President Consulting Expert

Als Vice President Consulting Expert berät Christof Krameyer seine Kunden im Public Sector, insbesondere der Polizei. Der zertifizierte Projektmanager und Scrum Master hat zudem neben seiner Erfahrung als Berater langjährig im öffentlichen Sektor gearbeitet.