Johannes Sackmann, CGI

Johannes Sackmann

Director Consulting

Ob es um Fridays for Future, die Flutkatastrophe oder die UN-Klimakonferenz in Glasgow geht: Die Themen Umwelt- und Klimaschutz sind in den Medien und damit zunehmend auch in den Köpfen der Bevölkerung omnipräsent. Banken sind dazu aufgefordert, die Entwicklung zur Klimaneutralität zu fördern. Das stellt sie vor große Herausforderungen, denn: Was ist wirklich nachhaltig – und was nicht? Wenn sie „grüne“ Angebote entwickeln oder Investitionen tätigen wollen, brauchen sie hierauf dringend verlässliche Antworten.

Eine Frage der Ethik

„Green Banking“ kann vieles bedeuten – von der Finanzierung von umwelt- und klimafreundlichen Investitionen bis hin zum Management von Umwelt- und Klimarisiken in den Finanzinstituten. Für Banken entscheidend: Die Vorstellung davon, was ethisch fragwürdig ist, hat sich in den vergangenen Monaten massiv verändert. Neu ist auch, dass es hier nicht nur um moralische Wertvorstellungen geht, die als Empfehlungen formuliert werden. Vielmehr wird deutlich, dass jetzt neben den rein ökonomischen Faktoren wie Profitmaximierung und Risikominimierung die nicht-ökonomischen Faktoren einen signifikanten Einfluss auf das Banking erhalten.

Angesichts der vielfältigen Erfahrungen aus der Regulierung haben Banken und Finanzdienstleister einen Vorteil gegenüber anderen Branchen. Doch noch ist es auch für sie sehr schwierig herauszufinden, mit wem sie kontrahieren und in wen sie investieren können, ohne dass sich im Nachhinein ein negativer Effekt für sie ergeben kann. Es gibt kaum objektivierte Datengrundlagen, auf deren Basis solche Geschäftsentscheidungen getroffen werden könnten. Zwar veröffentlichen inzwischen viele Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen, doch sind diese sehr individuell und von unterschiedlicher Qualität.

Viele Puzzleteile, kein Ganzes

Wenn es im Speziellen um Finanzanlagen geht, kommt hier die EU-Offenlegungsverordnung ins Spiel: Eine Kapitalanlagegesellschaft, die sich auf die Fahnen schreibt, ein nachhaltiges Finanzprodukt anzubieten, muss nachweisen, dass dieses auch tatsächlich nachhaltig ist. Das soll es anderen Marktteilnehmern – die ebenso den beschriebenen moralischen und zunehmend auch gesetzlichen Verpflichtungen unterlegen sind – erleichtern, ihr Geld gut zu investieren. Diese Verordnung bietet jedoch nur ein kleines Teil in einem riesigen Puzzle.

  • Weitere sind das Orientierungswerk ISO 26000, das definiert, was Corporate Social Responsibility bedeutet, sowie vor allem die Umweltmanagement-Normen der ISO-14000-Familie – man könnte dies die „Zehn Gebote“ für Unternehmen nennen.
  • Ein weiterer Normenkatalog, der gerade weiterentwickelt wird, ist die öffentlich stark diskutierte EU-Taxonomie, die nachhaltiges Handeln anhand von aktuell sechs Kriterienbereichen definiert.
  • Besondere Aufmerksamkeit verdienen darüber hinaus die Bestrebungen des ISSB (International Sustainability Standardisation Board), einem neu geschaffenem Gremium analog dem IASB (International Accounting Standardisation Board): Basierend auf den bestehenden Normen will es Bilanzierungsstandards für nachhaltiges Handeln (IFRS Sustainability Disclosure Standards) entwickeln. Doch das ist noch Zukunftsmusik.
     

KI hilft den Banken, Entscheidungen zu treffen

Zum jetzigen Zeitpunkt haben Banken wie auch andere Unternehmen keine andere Wahl, als sich aus den vielen verschiedenen „Informationshäppchen“ ihr eigenes Bild davon zu machen, mit wem sie kontrahieren oder in wen sie investieren können. Ob basierend auf den ISO-Normen oder den Vorgaben der EU-Taxonomie, ob Informationen aus Nachhaltigkeitsberichten oder von Ratingagenturen: Es stehen nur unstrukturierte Daten zur Verfügung.

Die CGI-Experten haben deshalb eine auf KI und Big Data aufbauende Plattform entwickelt, welche die vielen kleinen Puzzlestückchen abgreift, zusammenbringt und daraus eine Entscheidungsunterstützung z.B.  für Finanzierungszusagen- , Investition oder strategische Partnerschaften liefert. Es handelt sich also um ein Management-Informations-System, das nicht-ökonomische Faktoren berücksichtigt. Die Rede ist vom CGI ESG DataHub, der zurzeit in einem Proof of Concept verprobt wird. Das System stellt fest, ob relevante Informationen über den potenziellen Geschäftspartner verfügbar sind. Ist dies der Fall, erfasst es, ob bereits Zahlen oder qualitatives Material vorliegen, ob es sich um eigen- oder fremdpublizierte Informationen handelt – und ob sich aus all dem bereits eine Bewertung ableiten lässt. Diese kann anhand externer Skalen erfolgen, wie der Kriterien der EU-Taxonomie oder möglicher weiterer internationaler Standards. Es kann aber auch ein eigener Katalog zugrunde gelegt werden, dessen Kriterien sich aufgrund der Unstrukturiertheit der Daten mitunter erst bei der näheren Analyse der Informationen herauskristallisieren.

Wie kann dies in der Praxis aussehen?

Mit einem solchen System kann eine Bank zum Beispiel einschätzen, wie es um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens steht, dem sie einen Kredit gewähren will. Soll dieser Kredit für Nachhaltigkeitszwecke verwendet werden, kann die Bank die Mittelverwendung über den gesamten Finanzierungszeitraum nachvollziehen. Zudem kann sie einen Nachweis über ihre eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen führen und in ein Reporting einfließen lassen – etwa nach der Offenlegungsverordnung und zukünftig nach den neuen IFRS Sustainability Disclosure Standards. Aus Sicht des Kunden besteht die Gewissheit, dass er mit der Bank einen Geschäftspartner hat, der bei der Finanzierung relevante und nachvollziehbare Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt und laufend kontrolliert. Zudem kann er mit seinem Finanzierungspartner einen Nachweis über den Zeitverlauf der Finanzierung führen, der wiederum in sein eigenes Nachhaltigkeits-Reporting einfließt.

Kurzum: Nachhaltigkeit wird endlich mess-und bewertbar. Nicht zuletzt werden Banken in die Lage versetzt, ihren Geschäftspartnern Auflagen zu erteilen, was diese in den kommenden Jahren konkret verbessern müssen. Mit diesem Hebel können Banken die Entwicklung zur Klimaneutralität sehr effektiv fördern. Umgekehrt erhalten Unternehmen einen Partner, der nachhaltiges Wirtschaften aktiv unterstützt.

Über diesen Autor

Johannes Sackmann, CGI

Johannes Sackmann

Director Consulting

Johannes Sackmann ist Director Consulting und Banking-Experte mit Schwerpunkt Transaktionsbanking. Dank seiner 20- jährigen Berufserfahrung berät er unsere Kunden in dem Spannungsfeld aus den Themen Technologie, Marktanforderungen und Regulatorik. Ausgehend von seiner Tätigkeit als erfahrener E2E-Business-Architekt für Front-to-End-Bankabwicklung, hat er sich zuletzt ...