Ob sich eine Reise wirklich lohnt, weiß man immer erst, wenn man sie selbst gemacht hat. Heute wollen alle in die Cloud, über kurz oder lang sogar mit dem Kerngeschäft. Die Aussichten auf Schnelligkeit und Flexibilität oder auf geringere Risiken bei Finanzentscheidungen klingen verlockend – und sind nur einige von zahlreichen überzeugenden Argumenten für die Cloud. Doch während neue Marktteilnehmer von Anfang an auf die Cloud setzen und ihre Prozesse entsprechend strukturieren können, stehen etablierte Banken und Finanzdienstleister vor ungleich größeren Herausforderungen.
Wenn es um ihr Kerngeschäft geht, arbeiten sie in der Regel mit Mainframe-Applikationen, die vor langer Zeit entwickelt wurden. Das entsprechende Wissen ist über die Jahre verlorengegangen, weshalb sich kaum jemand an sie heranwagt – zumal es um ganz essentielle Daten geht und nicht weniger als die Existenz auf dem Spiel stehen kann. Einen Mainframe in die Cloud zu heben, ist nicht gänzlich unmöglich, wäre aber in jedem Fall mit extremem Aufwand verbunden. Stattdessen müssen die Mainframe-Applikationen komplett neu strukturiert und aufgebaut werden. Stand heute erscheint es noch utopisch, das Kerngeschäft in die Cloud zu bringen. Eines Tages wird es wohl trotzdem so weit sein.
Cloudservices ermöglichen Big Data, KI & Co
Bis dahin zeigt sich vielerorts das gleiche Bild. Alles, was nicht direkt mit dem Kerngeschäft verbunden ist, wird nach und nach in die Cloud verlagert, wie beispielsweise Desktop-Anwendungen, Backups oder Marketinginstrumente. Oft kommen dabei vorgefertigte Services zum Einsatz, die nicht erst entwickelt werden müssen. Im nächsten Schritt geht es darum, moderne Services wie maschinelles Lernen, Big-Data-Analysen und Künstliche Intelligenz (KI) nutzen zu können – mit dem Ziel, handfeste Kundenvorteile zu kreieren: von besseren Cashflow-Voraussagen durch den Einsatz von KI bis hin zu einer schnelleren Reaktion auf Kreditanfragen mithilfe von automatisierten Scorings.
Hierfür müsste man in einem On-Premise-Rechenzentrum immense Serverressourcen schaffen, die zudem nicht kontinuierlich genutzt werden. Da ist es besser, von Anfang an auf Cloudservices zu setzen. Sie stehen rasch zur Verfügung, lassen sich nach Bedarf skalieren, und es ist nur die tatsächlich benötigte Leistung zu zahlen. Die Effizienzsteigerungen sind besonders bei Testumgebungen offensichtlich, die den produktiven Umgebungen ähneln, jedoch nur für eine gewisse Zeit benötigt werden. In der Cloud lassen sie sich abbauen und automatisiert wieder hochfahren – ohne in der Zwischenzeit laufende Kosten zu verursachen.
Diese Flexibilität und Agilität im Einkauf und der Entwicklung sind die wohl schlagkräftigsten Argumente für die Cloud. Ein weiterer sehr guter Grund, so schnell wie möglich mit großen Teilen der IT-Infrastruktur in die Cloud zu wandern, sind die von der BaFin geforderten Reporte. Cloud-Anbieter haben ihre internen Prozesse entsprechend zertifizieren lassen, um regulatorische Anforderungen an die Finanzinstitute zu erfüllen. Darüber hinaus bieten diverse Tools Hilfestellung bei Reporting und Audits.
Der Erfahrungsschatz wächst
Der Schritt in die Cloud bedeutet immer eine grundlegende Veränderung der IT-Organisation. Neue Skills sind erforderlich, wenn Architektur und Design unter Cloud-Gesichtspunkten erfolgen sollen. Entweder müssen die eigenen Mitarbeitenden entsprechend weitergebildet werden oder es ist Expertise von außen gefragt. Nicht zuletzt bringt der Betrieb von IT-Lösungen in verteilten Umgebungen neue Herausforderungen mit sich. Anbindung und Sicherheit sind zu überdenken, denn über kurz oder lang werden die Services, die in die Cloud verlagert wurden, auf Daten im On-Premise-Rechenzentrum zugreifen müssen.
Auf ihrer etappenweisen Wanderung in die Cloud sammeln Banken und Finanzdienstleister umfangreiche Erfahrungen, auch mit anderen Projektstrukturen. Die Mitarbeitenden machen sich nach und nach mit der agilen Projektentwicklung vertraut. Und ein weiterer Effekt tritt ein: Man erlangt wieder mehr Wissen über seine Applikationen und darüber, wie sie zusammenhängen. Denn wer zum Beispiel ein CRM-System in die Cloud bringt, muss dessen Datenquellen analysieren. Auf diese Weise wird das Bild über die gesamten Prozesse immer klarer – bis man eines Tages einschätzen kann, wie auch die Kernprozesse in die Cloud gebracht werden können.
Banken und Finanzdienstleister werden an den Punkt kommen, an dem sie so viele IT-Prozesse in die Cloud ausgelagert haben, dass sich der Erhalt der eigenen Rechenzentren nicht mehr lohnt. Wenn sie keine neuen Geschäftsmodelle für diese Kapazitäten finden, werden sie also alles daran setzen, auch die verbliebenen IT-Prozesse in die Cloud auszulagern.
Nichts kann die Cloud aufhalten
Eines der größten Hemmnisse auf dem Weg in die Public Cloud ist noch immer die Datenverarbeitung und -speicherung durch amerikanische Anbieter. Seit der Europäische Gerichtshof den EU-US Privacy Shield gekippt hat, ist die Verunsicherung groß – und ob die so genannte „EU-Cloud“ Gaia-X mittelfristig eine Lösung bringen wird, ist nicht abzusehen. Dies hält Banken und Finanzdienstleister jedoch nicht davon ab, ihre Cloud-Vorhaben weiter zu verfolgen. Erfolgskritisch ist dabei, dass sie die Prüfmöglichkeiten, Informationsrechte usw. mit dem Anbieter der Wahl detailliert aushandeln und vertraglich festlegen.
Wie die Reise in die Cloud gelingen kann, zeigt das Beispiel PAYONE. Aufbauend auf unserer modularen, cloudnativen Enterprise-Plattformlösung für Finanzdienstleistungen haben wir für dieses Unternehmen eine sichere, private Cloud-Umgebung für den Betrieb containerbasierter Anwendungen geschaffen. Wer innovative Services anbieten will, kommt an der Cloud nicht vorbei. Es ist eine Reise, die sich ganz sicher lohnt.