Olena Zarytska, CGI

Olena Zarytska

Lead Consultant

Der Imperativ der meisten Nachhaltigkeitsstrategien ist die Reduktion von CO2 in Geschäftsprozessen. Mit dem aktuellen Stand der Technik ist es für einige Wirtschaftszweige jedoch kaum möglich, auf diese Weise CO2-Neutralität zu erreichen. Um Rest-Emissionen auszugleichen oder die Klimabilanz schnell zu verbessern, können Kompensationsprojekte bestehende Nachhaltigkeitsstrategien ergänzen – die Rede ist vom so genannten Carbon Offsetting. Was macht Offsetting attraktiv? Welche Formen von Projekten gibt es? Und worauf ist bei ihrer Auswahl zu achten? Antworten gibt dieser Blogartikel.

Der Hintergrund: Strengere EU-Vorgaben

2050 soll Europa klimaneutral sein – so sieht es der European Green Deal vor. Um das ehrgeizige Ziel zu realisieren, fordert die Europäische Union die Einhaltung strengerer Standards ein und hat ein Paket aus ineinandergreifenden Regulierungen geschnürt. Im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive 1 (CSRD) müssen Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekte der eigenen Geschäftstätigkeit offenlegen. Dies wird zukünftig auch ihren Zugang zum Kapitalmarkt beeinflussen, weil auch Finanzakteure über Regulierungen wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation 2 (SFDR), die European Sustainability Reporting Standards 3 (ESRS) oder die EU-Taxonomie 4 an die Bewertung und Veröffentlichung verschiedener Nachhaltigkeitskennzahlen gebunden werden.

Der Druck auf Unternehmen und Finanzwirtschaft ist stark gestiegen – und damit auch die Nachfrage nach Lösungen, die schnelle Ergebnisse liefern. Daher rücken Offsetting-Projekte immer stärker in den Fokus. Sie können Unternehmen helfen, ihre Klimaziele zu erreichen, indem unvermeidbare Emissionen durch Investitionen kompensiert werden. Die Klimabilanz der Unternehmen wird dadurch verbessert. Voraussetzung ist allerdings, dass die Investitionsprojekte konkret messbare und zertifizierte Einsparungen von Klimagasen zur Folge haben.

Typologisierung von Offsetting-Projekten

Es gibt verschiedene Kategorien des Offsetting, die unterschiedliche Ansätze zur Emissionsreduktion verfolgen. Die gängigsten Projekttypen im Überblick:

  1. Erneuerbare Energien: Viele Kompensationsprojekte in Europa konzentrieren sich auf die Förderung der Entwicklung und des Ausbaus erneuerbarer Energiequellen. Diese Projekte umfassen zum Beispiel Investitionen in den Bau von Windparks, Solaranlagen, Wasserkraftwerken oder Biomasse-Energieanlagen. Ein Engagement wird in der Regel über Projektentwicklungsgesellschaften realisiert.
  2. Steigerung der Energieeffizienz: Energieeffizienzprojekte umfassen die Nachrüstung von Gebäuden mit energieeffizienten Technologien, die Förderung energieeffizienter Geräte und Anlagen oder die Einführung von Energiemanagementsystemen – aber auch Modernisierungsprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern, wie beispielsweise Programme zur Verbreitung von effizienten Kochherden 5.
  3. Renaturierung natürlicher CO2-Senken: Die Natur hat verschiedene Möglichkeiten, große Mengen an CO2 aufzunehmen. Zu den CO2-Senken gehören beispielsweise Wälder, aber auch Moore, Meere und Sümpfe. In Europa gibt es Gebiete mit großem Potenzial für eine zusätzliche Aufnahme von Kohlendioxid. Daher beinhalten Kompensationsprojekte häufig Bemühungen zum Schutz und zur Wiederherstellung dieser Gebiete. In diese Kategorie fallen Projekte zur Aufforstung und zum Erhalt bestehender Wälder, die Verhinderung von Abholzung und die Förderung nachhaltiger Forstwirtschaftspraktiken.
  4. Kohlenstoffabscheidung und -speicherung: Diese Projekte zielen darauf ab, Kohlendioxidemissionen aus industriellen Prozessen oder der Stromerzeugung abzuscheiden, unterirdisch zu speichern und so die Freisetzung in die Atmosphäre zu verhindern. Die Technologie ist jedoch noch nicht weit verbreitet und es gibt bisher vergleichsweise wenige Projekte, die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung einsetzen. Ein Beispiel ist das Sleipner-Projekt in Norwegen 6, bei dem CO2 aus Erdgasproduktion abgeschieden und in unterirdischen geologischen Formationen gespeichert wird. Beachtenswert ist auch das Boundary Dam CCS Project in Kanada 7, bei dem CO2 aus Kohlekraftwerken abgeschieden wird. Inzwischen befasst sich auch der Deutsche Bundestag mit der unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid. Es ist zu erwarten, dass sich Technologie, Projektinitiativen und Zertifizierung in naher Zukunft weiterentwickeln und professionalisieren werden.
  5. Projekte zur Methanreduzierung: Auf einhundert Jahre gerechnet, ist eine emittierte Tonne Methan so klimaschädlich wie 25 Tonnen Kohlendioxid ⁠Projekte, die auf die Reduzierung von Methan abzielen, können daher eine entscheidende Rolle bei den Kompensationsbemühungen spielen. Diese Projekte konzentrieren sich häufig auf die Verringerung von Methanemissionen aus Quellen wie der Landwirtschaft (Viehzucht und Güllewirtschaft), Mülldeponien oder Erdgasinfrastruktur. 
  6. Blue-Carbon-Projekte: Blue-Carbon-Initiativen zielen darauf ab, Küstenökosysteme wie Mangroven, Salzwiesen und Seegraswiesen zu erhalten und wiederherzustellen. Diese Ökosysteme haben ein hohes Potenzial zur Kohlenstoffbindung und tragen durch die Speicherung von Kohlendioxid zum Ausgleich von Emissionen bei.
     

Die richtigen Offsetting-Projekte finden

Anbieter von Offsetting-Projekten haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie alle versprechen wirksame Investitionen. Zertifizierungen und Standards wie der Verified Carbon Standard (VCS), der Gold Standard und der Climate Action Reserve bieten Orientierung. Doch nicht jedes Projekt eignet sich gleichermaßen dazu, die unternehmerische Klimabilanz zu verbessern. Eine kompetente individuelle Beratung, wie wir sie unseren Kunden bieten, kann hier die Erfolgschancen für Unternehmen deutlich erhöhen. Eine effektive Integration von Offsetting in eine Nachhaltigkeitsstrategie erfordert eine sorgfältige Auswahl der Projekte. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Nachhaltigkeitsbemühungen tatsächlich positive Auswirkungen auf die Umwelt haben und mit den Zielen und Werten des Unternehmens übereinstimmen.

Bewertung

Die jüngst erlassenen Gesetzespakete für Unternehmen und Finanzwirtschaft sind Zeichen des Engagements der Europäischen Union in Richtung Klimaschutz und European Green Deal. Obwohl in vielen Unternehmen bereits Klimaschutz-Initiativen in der Umsetzung sind, zwingen die Offenlegungspflichten jetzt zu messbaren Ergebnissen. Genau damit werben zahlreiche Offsetting-Projekte. Doch Unternehmen sollten ihre Nachhaltigkeits-Investitionen genau priorisieren. Wenn wir unsere Kunden hierbei beraten, beobachten wir oft, dass „low hanging fruits“ noch nicht ausgeschöpft sind. Projekte zu Digitalisierung, Prozessoptimierung oder Green IT bewirken potenziell einen vergleichbaren oder höheren Impact – und machen darüber hinaus Geschäftsprozesse günstiger und zukunftssicher.

Bevor Offsetting als fortgeschrittenes Instrument zur Verbesserung der eigenen Klimabilanz in Betracht gezogen wird, sollte also zunächst kritisch überprüft werden, wie es um den Status Quo der Umsetzung anderer nachhaltiger Projektideen bestellt ist.

 


[1] Siehe auch: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52021PC0189

[2] Siehe auch: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019R2088

[3] Siehe auch: European Sustainability Reporting Standards (ESRS) Set 1 • DRSC Website

[4] Siehe auch https://ec.europa.eu/sustainable-finance-taxonomy/ oder https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R0852

[5] Siehe auch: https://fortune.com/2023/12/05/access-modern-stoves-game-changer-africa-economic-developmentand-equivalent-carbon-dioxide-emissions-world-planes-ships-adesina-birol/

[6] Siehe auch: 2107SM08075_CCS_Broschuere_A5_quer_deutsch_kurz_Korrekturen_v12.indd (equinor.com)

[7] Siehe auch: Boundary Dam Carbon Capture Project (saskpower.com)

Über diesen Autor

Olena Zarytska, CGI

Olena Zarytska

Lead Consultant

Olena Zarytska ist bei CGI als Lead Consultant tätig. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich des agilen IT-Projektmanagements und des Change Managements. Sie ist Scrum Expertin bei einem internationalen Zahlungsdienstleister und kennt sich mit dem gesamten Vorgehensmodell und der praktischen Umsetzung hervorragend aus. Seit 2019 ist ...