Andy Schmidt

Andy Schmidt

Vice-President & Global Industry Lead for Banking

Auch wenn die Maßnahmen zur Beherrschung der COVID-19-Pandemie von Land zu Land variieren, verfolgen alle Regierungen und Unternehmen, die sich damit befassen, das gleiche Ziel: Wir werden das überstehen.

Die Frage ist wie, wenn das Alltags- und Wirtschaftsleben massiv gestört wird. Wie werden Banken reagieren, sich erholen und neu erfinden?

In Krisenzeiten ist die Erhaltung von zentralen Funktionen und Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung, egal in welcher Branche. Finanzdienstleistungen sind da keine Ausnahme, wo doch der Zahlungsverkehr, die Kreditvergabe und der Handel auch in herausfordernden Zeiten das Lebenselixier der Weltwirtschaft sind. Die gute Nachricht ist, dass sich diese Branche schon immer neuen Arbeitsweisen angepasst hat.

Vor diesem Hintergrund finden Sie hier einige konkrete Beispiele, wie die Auswirkungen von COVID-19 wichtige Bereiche der Finanzdienstleistung betreffen, sowie Empfehlungen, wie diese Herausforderungen zu Chancen werden können.

Personalbeschaffung

Es werden mehr Backoffice-Kräfte benötigt – jetzt. Einige Outsourcing-Firmen sind aufgrund der bestehenden Lockdowns aktuell arbeitsunfähig. In der Folge stehen Banken vor der Herausforderung, betroffene Funktionen dennoch zu gewährleisten, wie den telefonischen Kundenservice, die Kreditbetreuung und sogar die Kontoeröffnung.

Nearshore- und Onshore-Ressourcen können die Widerstandskraft stärken. Ausfälle beim Offshore-Personal haben eine kritische Schwachstelle in den Business-as-usual- und Business-Continuity-Planungsmodellen aufgedeckt. Einige Banken erwägen, den Personalbestand um Nearshore- und Onshore-Kapazitäten zu erweitern, um wichtige online Backoffice-Funktionen wiederherzustellen und gleichzeitig den Weg hin zu einem ausgewogeneren Personalbestand zu ebnen.

Banken könnten versuchen, einige Unternehmensfunktionen zu verkaufen. Eine Krise zwingt ein Unternehmen oft dazu, die Art und Weise neu zu erfinden, wie es bestimmte Funktionen managt und weiter erbringt. Aufgrund der Pandemie könnten Banken, die auf der Suche nach Kapital sind, versuchen, einige ihrer Unternehmensfunktionen an Dritte zu verkaufen, was nicht nur hilft, diese Dienstleistungen effizienter zu erbringen, sondern auch, sie (und die ihnen zugrunde liegende Technologie) mit der Zeit dank eines Managed-Services-IT-Modells zu modernisieren.

Kundenbetreuung

Banken verdoppeln ihre Digitalisierung. Die aktuelle Pandemie dürfte die Art und Weise, wie Bankkunden Informationen erhalten, für immer verändern. Wenn sich viele Länder im Lockdown befinden, was die Schließung von Bankfilialen einschließt, werden Kunden, die Informationen zu ihrem Konto und auch zu anderen Bankprodukten suchen, verstärkt digitale Kanäle und das Telefon nutzen. Dies macht es für Banken erforderlich, sowohl einen einfachen Zugang als auch ein einheitliches Kundenerlebnis sicherzustellen.

Das Interesse an Automation, Chatbots und Künstlicher Intelligenz steigt. Mit der verstärkten Nutzung digitaler Kanäle entsteht der Bedarf, Interaktionen effizienter zu gestalten. Diese Entwicklung wird Banken dazu bringen, über die strategische Nutzung von Automation nachzudenken, damit sie alltägliche Aufgaben schneller und effizienter bearbeiten können – zusammen mit Chatbots, die sehr dabei helfen werden, Kunden und Interessenten die benötigten Informationen über die kostengünstigsten Kanäle zur Verfügung zu stellen.

Telefon- und Videokonferenzen werden zunehmen, da die Interaktion auf Distanz zur Norm wird. Einer der Hauptgründe für ein persönliches Treffen ist die Vertrauensbildung. Da Geschäftsreisen in der nächsten Zeit eingeschränkt, wenn nicht gestrichen werden, werden Telefon- und Videokonferenzen helfen, Kundenbeziehung weiter zu festigen. Diese Veränderung verlangt von Banken, dass sie für genügend Bandbreite sorgen, um sowohl Audio- und Videokonferenzen als auch Virtual Private Networks zu ermöglichen, da mehr Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten.

Zahlungswesen

Das Volumen elektronischer Zahlungen wird abnehmen, auch wenn kontaktloses Bezahlen an Akzeptanz gewinnt. Die weltweiten Auswirkungen von COVID-19, das Social Distancing und die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Nutzung von Bargeld zu vermeiden, werden in Kombination vermutlich dazu führen, dass die Akzeptanz und Nutzung von kontaktlosen Bezahlmethoden ungewöhnlich schnell steigt. Wir gehen jedoch auch davon aus, dass Störungen in den Lieferketten sowie erwartete Störungen bei wiederkehrenden Zahlungen wie Gehältern, Mieten, Hypotheken, Renten und Studentendarlehen dazu führen werden, dass das Volumen elektronischer Zahlungen in der nahen Zukunft abnimmt.

Mobiles Bezahlen wird ein signifikantes Wachstum erleben. Angesichts der Empfehlung, räumliche Distanz zu wahren, dürfte das mobile Bezahlen (egal ob nach Zahlungsaufforderung oder als direkte Zahlung an einen Händler) profitieren, indem es (nicht nur) an der Kasse die Möglichkeit bietet, kontaktlos zu bezahlen.

Es gibt endlich einen richtigen Business Case für Echtzeit-Zahlungen. Ob mit Konjunkturprogrammen oder Subventionen: Viele Regierungen auf der ganzen Welt versorgen ihre Bürger mit Geld, um ihnen bei der Bewältigung der Pandemie zu helfen. Banken spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass die Bürger diese Gelder so schnell wie möglich erhalten, und Menschen zu helfen, Geld von einem Konto auf ein anderes zu überweisen, um wichtige Rechnungen zu bezahlen.

Kreditwesen

Die Kreditnachfrage wird in allen Segmenten steigen, aus unterschiedlichen Gründen. Die Kombination aus historisch niedrigen Zinssätzen, speziellen Kreditprogrammen und drohenden Arbeitsplatzverlusten wird die Aktivität bei Hypotheken (Neu- und Refinanzierung), Geschäftskrediten und ungesicherten Krediten, sei es in Form von Privatkrediten oder Kreditkarten, erhöhen. Als Reaktion darauf können sich auch die Geschäftsmodelle von Banken ändern, indem sie sich eher am Bedarf orientieren als vor Ort Präsenz zu zeigen.

Zahlungsausfälle werden drastisch zunehmen, und die Kreditgeber werden viele Kredit- und Mietzahlungen stunden. Obwohl gerade ein großer Teil der Welt stillsteht, fallen weiterhin Zinsen an, und die Mieten werden weiterhin fällig. Diese Schulden zu bezahlen, kann jedoch eine Herausforderung sein, wenn Themen wie Arbeitsplatzverlust, Gesundheitsversorgung und ähnliches im Raum stehen. Viele Banken, staatliche Programme und sogar Vermieter erwägen, die Zahlungsforderungen für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen, um denen zu helfen, die in Schwierigkeiten sind, und sie setzen möglicherweise die Zinsansprüche für bestimmte Darlehensarten aus.

Das Inkasso wird mitfühlender. In einer Krise wie dieser ist das finanzielle Wohl vieler Kunden in ernsthafter Gefahr. Banken werden die Inkasso-Funktion nutzen, um mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben und Zahlungspläne zu vereinbaren, um den Kunden Flexibilität zu geben und ihnen zu helfen, einen Konkurs zu vermeiden. Zum Beispiel können ausbleibende Zahlungen an das Ende des Kredits verschoben werden, anstatt den Schuldner in Verzug geraten zu lassen.

Finanzkriminalität und Cybersicherheit

Betrugsversuche haben bereits zugenommen. Verwirrung und Unsicherheit eröffnen Betrügern große Chancen, ob es sich nun um Identitätsdiebstahl, Telefon- oder sogar CEO-Betrug handelt. Das Interesse der Banken an Künstlicher Intelligenz und Machine Learning wird zunehmen – einhergehend mit Bemühungen, in Reaktion auf diese Bedrohung Kundenkonten zu schützen.

„Know Your Customer“ wird eine größere Rolle in der Bank spielen. Mit steigender Onlinenutzung steigt auch die Notwendigkeit, digitale Kanäle gegen Missbrauch zu schützen. Zu den Schutzmaßnahmen der Banken wird der Einsatz praxiserprobter Technologien zählen, um sicherzustellen, dass es sich um echte Kunden-Interaktionen und nicht um maschinengenerierte Angriffe handelt.

Hacker testen die Stärke von Cybersicherheits-Programmen. Erneut sind es Verwirrung und Unsicherheit, die Chancen eröffnen – diesmal für Hacker. Auch wenn die Arbeit von Cybersicherheits-Teams durch Lockdowns und das Gebot, zu Hause zu bleiben, erschwert wird, werden Banken ihre Anstrengungen zum Schutz ihres Unternehmens und ihrer Kunden intensivieren – sei es vor Angriffen mit dem Ziel, Geld und Informationen von Kunden zu stehlen, oder davor, dass wichtige Systeme offline gehen.

IT-Projekte und Liefermodelle

Automation, cloud-basierte Dienste und Daten sind die wichtigsten Themen. Sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren ist kosteneffektiv und skalierbar – und schafft Mitarbeitern den Freiraum, sich wichtigeren Dingen zu widmen. Zusätzlich hierzu sind die Flexibilität, Skalierbarkeit und Leistungsfähigkeit von Cloud Computing höchst attraktiv für Banken, die ihr Kerngeschäft wiederbeleben und neu erfinden wollen. Banken sind auch daran interessiert, Daten besser zu nutzen, um Erkenntnisse über ihre Kunden zu gewinnen, notwendige Anpassungen vorzunehmen und so schnell wie möglich wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

Remote-Entwicklung und -Leistungserbringung werden zentrale Anforderungen. Es ist ungewiss, wann zum Arbeiten im persönlichen Kontakt zurückgekehrt werden kann. Es besteht jedoch nach wie vor die Notwendigkeit, weiterzumachen und voranzukommen, weshalb Verträge und Arbeitsumgebungen der neuen Realität angepasst werden müssen.

Banken könnten Wachstumsprojekte zugunsten von Maßnahmen zur Kostensenkung und Optimierung zurückstellen. Das ist die natürliche Reaktion auf einen finanziellen Schock. Banken versuchen, kosten- und prozesseffizienter zu werden, bevor sie in erneutes Wachstum investieren. Wenn es in all dem einen Lichtblick gibt, dann, dass der Wechsel zur Remote-Arbeit die Produktivität tatsächlich in kurzer Zeit erhöhen könnte. Währenddessen sollte es dank verbesserter Datennutzung und digitaler Angebote sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter leichter werden, sich selbst zu helfen, wodurch sich die Antwortzeiten auf ihre Anfragen verkürzen.

Es ist offensichtlich, dass dies eine unsichere und schwere Zeit ist – für jeden Einzelnen, für Organisationen und für Branchen gleichermaßen. Wie auch bei vorhergehenden Krisen gehen wir aber immer stärker, innovativer und produktiver daraus hervor. Ich persönlich bin gespannt darauf zu sehen, wie die Finanzdienstleistungsbranche reagiert, sich erholt und neu erfindet. Kontaktieren Sie mich gerne, um mit mir darüber zu sprechen.

Über diesen Autor

Andy Schmidt

Andy Schmidt

Vice-President & Global Industry Lead for Banking

Andy Schmidt is a former banker and industry analyst who helps drive CGI’s strategy across the company’s global financial services vertical. Andy has more than 25 years of experience in guiding financial business and technology decisions. His primary expertise spans current and emerging payment types, ...