Low Code hat den breiten Markt erreicht und entsprechend stellt sich die Frage, ob diese Technologie auch im Kontext der Digitalisierung der Aufgaben der öffentlichen Hand eine vielversprechende Technologie darstellt.
Low Code hat als Anspruch, Umsetzungsgeschwindigkeit, technische Kohärenz und Qualität in der Softwarenentwicklung zu erhöhen. Zudem sollen technische Eingangshürden für Mitarbeitende gesenkt und auch Fachexperten als „Citizen Developer“ befähigt werden, selbst Applikationen zu erstellen. Mit welchen Mitteln kann der Low-Code-Ansatz diese Ziele erreichen und welcher Nutzen erschließt sich möglicherweise für die Verwaltung?
Modellieren statt Programmieren
Ein zentrales Versprechen von Low Code ist, Softwaresysteme vor allem per Modellierung entstehen zu lassen. Hierzu bringen Low-Code-Plattformen entsprechende Werkzeuge mit, um mit visueller Modellierung und Konfiguration zentrale Aspekte der Lösung umzusetzen:
- Benutzeroberflächen zur Ein- und Ausgabe von Daten
- Geschäftsprozesse in unterschiedlichsten Detailebenen
- Fachdatenmodelle
- Reports, Charts und Dashboards zur Auswertung der verarbeiteten Daten
- Integration von Standardsoftware, relationalen Datenbanken, externen Datenquellen, Web Services usw.
Mit Hilfe dieser Modelle werden durch die Low-Code-Plattformen automatisiert ausführbare Applikationen für unterschiedliche Endgeräte bereitgestellt. Hierbei greifen die Plattformen sowohl auf Methoden der Interpretation der Modelle als auch auf Codegenerierung zurück. Im Gegensatz zum sogenannten „No Code“-Ansatz besteht aber weiterhin die Möglichkeit, mit „echter“ Programmierung das Verhalten der Applikation zu beeinflussen.
Apps mit Low Code
Low Code hat aktuell nicht den Anspruch, konventionelle Softwareentwicklung grundsätzlich zu ersetzen, sondern es haben sich einige Kernbereiche herauskristallisiert, in denen der Low-Code-Ansatz besonders gut funktioniert. Zum einen sind dies Anwendungen, die keine hohen technische Anforderungen im Bereich der Nutzeroberflächen stellen (wie beispielsweise CAD-Programme oder Computerspiele), sondern als typische Büroanwendung ausgeprägt sind. Viele Fachverfahren sind dementsprechend besonders dafür geeignet, mit Mitteln von Low Code modelliert zu werden. Die Konnektivität der Low-Code-Plattformen fördert und erleichtert dabei auch die Integration und Nutzung von modernsten Technologien wie beispielsweise Machine Learning und Artificial Intelligence.
Ende der Schatten-IT
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Ablösung der sogenannten Schatten-IT, also insbesondere die Ablösung von kleinen und großen Anwendungen, die unter Zuhilfenahme von Standardsoftware wie Microsoft Office in den Fachabteilungen über den Lauf vieler Jahre entstanden sind. Low-Code-Plattformen ermöglichen es, diese Anwendungen und Lösungen mit einfachen Mitteln nachzubauen und auch in Zukunft weiterhin auf die jeweiligen in Excel, Access usw. enthaltenen Daten zuzugreifen; andererseits wird aber auf diese Anwendungen wieder eine IT-Governance angewandt und nicht zuletzt auch sichergestellt, dass Wartung und Fortentwicklung unabhängig von einzelnen Personen möglich sind.
Ablösung von Legacy-Systemen
Als drittes typisches Einsatzgebiet stellen sich Ablösungen veralteter Collaboration-Plattformen dar. Während in diesen Fällen die Migration von Mail- und Kalender-Funktionen relativ einfach ist, erweisen sich Micro-Anwendungen, die auf solchen Plattformen errichtet wurden, oftmals als schwerwiegendes Hindernis. Low- Code-Plattformen ermöglichen es, zum Teil auch unter Zuhilfenahme von Migrationsautomaten, die den Kern solcher Anwendungen halbautomatisch mit übersetzen, solche Anwendungen einfach zu portieren und zu modernisieren und mit einer neuen Collaboration-Plattform wie beispielsweise Exchange bidirektional zu verknüpfen.
Echte Ende-zu-Ende-Digitalisierung
Moderne Low-Code-Plattformen sind darauf ausgerichtet, bei der Erstellung von Applikationen zu unterstützen, die mit einer Vielzahl von Umsystemen, Standardsoftware und Services bidirektional Daten austauschen können. Hierzu dienen vorgefertigte produktspezifische Konnektoren, die per Konfiguration mit den Zielsystemen wie ERP, Office, ISTM-Werkzeugen, Dokumentenspeichern usw. verbunden werden. Dadurch können durch die Low-Code-Plattform dann auch systemübergreifende Geschäftsprozesse automatisiert werden und eine medienbruchfreie, bidirektionale Ende-zu-Ende-Digitalisierung erreicht werden.
Agil von Anfang an
Gängige Low-Code-Plattformen sind auf agile Entwicklungsprozesse ausgelegt. Dabei können durch die unmittelbare Ausführbarkeit der Implementierung die Entwicklungszyklen im Vergleich zur traditionellen Entwicklung deutlich verkürzt und so das Feedback der Stakeholder viel schneller eingeholt werden. Dies wird durch den oben dargestellten Modellierungsansatz erreicht: sobald eine Anforderung in der Low-Code-Plattform visuell umgesetzt wurde, kann diese sofort als ausführbare Software begutachtet werden und Rückmeldung von Nutzern oder Product Ownern eingeholt werden.
Mit der Fähigkeit, Anforderungen sehr schnell umzusetzen und prüfbar zu machen, werden nicht nur agile Entwicklungsmodelle wie Scrum oder Kanban ideal unterstützt, auch Methoden zur Entwicklung völlig neuer Lösungsansätze wie Design Thinking können unmittelbar mit Low Code umgesetzt werden. Zudem implementieren zahlreiche Low-Code-Plattformen den DevOps-Ansatz, so dass ein professionelles Deployment sichergestellt werden kann.
Schlussendlich ermöglichen die geringen Zugangshürden auch, dass Mitarbeitende aus den Fachabteilungen selbst in der Softwaremodellierung mitwirken. Dieser „Citizen Developer“ genannte Ansatz ermöglicht es, dass Domänenwissen der Fachspezialisten direkt in das Produkt einfließen zu lassen.
Low Code für die öffentliche Verwaltung
Vom Plattformgedanken und der erhöhten Umsetzungsgeschwindigkeit können sowohl Bund, Länder und Kommunen profitieren. Viele der 6.000 Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, die noch zu digitalisieren sind, folgen einheitlichen Mustern und greifen auf gleiche Datenbestände zurück. Damit wären sie mit Low Code entsprechend einfach zum Vorteil von Bürgern, Unternehmen und der Verwaltung selbst zu digitalisieren. Naheliegende Beispiele mit hoher Nutzungsfrequenz sind beispielsweise
- Parkraumraumbewirtschaftung
- Meldeverpflichtungen der Wirtschaft an die Verwaltung
- Ein- und Ausfuhranmeldung und -genehmigung
- Agrarförderung und Subventionswesen
Der volle Nutzen kommt dabei nur zum Tragen, wenn hierbei eine echte Ende-zu-Ende-Digitalisierung stattfindet, also nicht nur der Verwaltungskunde sein Anliegen digital vorträgt, sondern auch Zwischenbescheide, Zuwendungsbescheide etc. von der Verwaltung digital zum Bürger gelangen. Mit der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes werden auch alle hierfür notwendigen technischen Voraussetzungen vorliegen.
Zusammenfassend bietet Low Code aus Sicht von CGI die Möglichkeit, Schatten-IT in einen zukunftsweisenden Technologieansatz zu überführen und Digital Natives Werkzeuge an die Hand zu geben, selbst an der Digitalisierung intensiv mitzuwirken. Low Code hat in der Industrie und bei den ersten Behörden als ergänzenden Ansatz zur traditionellen Softwareentwicklung bewiesen, dass das Konzept hochwertige und vergleichsweise günstige Applikationen produzieren kann, die von Nutzern gut angenommen werden. Mit der Möglichkeit, mit standardisierten Bausteinen sich ähnelnde Anforderungen per Modellierung umzusetzen und dabei out-of-the-box die typischen nichtfunktionalen Anforderungen abzudecken, ist Low Code für die Aufgaben der öffentlichen Hand geradezu prädestiniert.