Samira Salim, CGI

Samira Salim

Expertin für Anti-Financial Crime und Payments

 

Im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung verzeichnet Finanzkriminalität einen anhaltenden Anstieg und bringt traditionelle Abwehrmethoden der Finanzinstitute an ihre Grenzen. Um mit den raffinierten Methoden Krimineller Schritt zu halten, bedarf es innovativer Ansätze. Hierbei rückt besonders der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in den Fokus, da er vielversprechende Potenziale zur Steigerung von Effizienz und Effektivität verspricht. Gleichzeitig bringt die Integration von KI Herausforderungen und Risiken mit sich, die sorgfältig abgewogen werden müssen. Die entscheidende Frage bleibt: Wird KI der erhoffte Gamechanger sein?

Im Wettlauf gegen die Finanzkriminalität

Die Compliance-Abteilungen vieler Finanzinstitute sehen sich im Kampf gegen die Finanzkriminalität mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Die zunehmende Geschwindigkeit und die steigende Anzahl von Transaktionen erzeugen umfangreiche Datenmengen, die herkömmliche Systemlandschaften zur Bekämpfung von Finanzkriminalität nur mühsam verarbeiten können. Die Analyse und Interpretation der Ergebnisse der vordefinierten, meist unpräzisen Erkennungsregeln bedeuten für viele Compliance-Teams einen großen manuellen Aufwand. Diese Problematik wird durch eine große Anzahl an False-Positives, also Fehlalarmen, zusätzlich verschärft. Hinzu kommt, dass sich die Methoden Krimineller in den letzten Jahren rasant entwickelt haben und die Finanzinstitute bei der Anpassung ihrer Erkennungsregeln nicht Schritt halten können. So bleibt eine Vielzahl an verdächtigen Transaktionen unerkannt.

Wie KI verdächtige Transaktionen und Verhaltensweisen aufdeckt

Die Einführung von KI-gestützten Tools verspricht Abhilfe, indem sie Echtzeitfähigkeit, Effizienz, hohe Performanz und Treffsicherheit in der Erkennung von Verdachtsfällen bietet.

  • Der Einsatz von KI in der Transaktionsüberwachung ermöglicht es Finanzinstituten mittels Machine-Learning-Modellen und Clusteranalysen, unerkannte und komplexe Muster in Transaktionen und Verhaltensweisen in Echtzeit zu erkennen. So können Zahlenanomalien erkannt werden – zum Beispiel ungewöhnlich hohe Beträge, ungewöhnlich hohe Frequenzen von Transaktionen innerhalb eines kurzen Zeitraums oder regelmäßige Transaktionen zwischen auf den ersten Blick voneinander unabhängigen Zahlungsauftraggebern und -empfängern.
  • Ein weiteres Beispiel sind fortgeschrittene Verhaltensanalysen im Rahmen der Betrugsprävention. Durch Mustererkennung können damit betrügerische Aktivitäten aufgedeckt werden, die in traditionellen Systemen möglicherweise unentdeckt blieben. KI-gestützte Systeme können Geräte- und Benutzer-Verhaltensanalysen oder Vergleiche von historischen Verhaltensmustern mit aktuellen Daten durchführen. Zudem können sie Verhaltensbiometrie nutzen und etwa anhand von Mausbewegungen oder Klickmustern Verhaltensanomalien erkennen, die auf nicht autorisierte Zugriffe hinweisen könnten.
  • Im Kontext der Sanktionsprüfung können mit Hilfe von Natural Language Processing (NLP) Namen von natürlichen und juristischen Personen, Orten etc. in unstrukturierten Texten extrahiert werden. Technologien wie das Fuzzy Matching helfen, Synonyme sowie leicht unterschiedliche Schreibweisen beim Abgleich mit Sanktionslisten zu erkennen.

Durch den Einsatz von KI in den genannten Bereichen können verdächtige Transaktionen und Verhaltensweisen effektiver aufgedeckt und somit die Anzahl der False-Positives und False-Negatives erheblich reduziert werden.

Sichere Authentifizierung – aussagekräftige Risikoprofile

Auch im Rahmen von Know-Your-Customer-Prozessen kann KI die Effizienz und Qualität der Überprüfungen steigern. Beim Onboarding und der Authentifizierung von Kundinnen und Kunden können Methoden wie Fake Image Detection oder Human Face Attributes Analysis eingesetzt werden, um die Identifikation und Authentifizierung sicherer und zuverlässiger zu gestalten. Zusätzlich kann KI präzisere und bei Bedarf zyklische Profilanalysen durchführen, Risikoprofile erstellen oder regelmäßig automatisch aktualisieren. Dabei berücksichtigt sie eine enorme Menge an Daten, inklusive unstrukturierter Daten, wie zum Beispiel Informationen aus sozialen Medien oder Nachrichtenartikeln, was die Risikoprofile der Kundinnen und Kunden eines Finanzinstituts aussagekräftiger macht.

Aktuelle Erkennungsregeln dank KI

Weiterhin kann KI genutzt werden, um bestehende Erkennungsregeln zu aktualisieren oder zu verbessern. Unter Einsatz fortgeschrittener Technologien wie NLP können regulatorische Aktualisierungen identifiziert und umgesetzt werden. Hierbei können große Mengen unstrukturierter regulatorischer Datenquellen gescannt und interpretiert, die für ein Finanzinstitut relevanten regulatorischen Updates erkannt, gefiltert und in gewissem Umfang implementiert werden. Zusätzlich kann KI durch Sensitivitätsanalysen beispielweise Betragsschwellen optimieren und Anpassungen der bestehenden Regeln empfehlen oder diese in Echtzeit automatisch vornehmen. Die regelmäßige Aktualisierung der Erkennungsregeln erschwert es nicht nur Kriminellen zunehmend, diese zu durchschauen und zu umgehen, sondern erhöht auch die Trefferquote.

Voraussetzung: eine solide Datengrundlage

Der Einsatz von KI ist allerdings mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Fortgeschrittene Technologien sind ohne erstklassige Datenbasen nutzlos. Um dem Prinzip „garbage in, garbage out“ entgegenzuwirken, ist es entscheidend, bei der Anwendung von KI eine hohe Datenverfügbarkeit, -verlässlichkeit und -qualität sicherzustellen. Die Prozesse der Datenerfassung, -speicherung und -integritätsprüfung sollten daher sorgfältig geplant und umgesetzt werden, da diese Komponenten die Datenqualität maßgeblich beeinflussen.

Herausforderungen und Risiken im Umgang mit KI

Nachdem eine solide Datengrundlage geschaffen wurde, stellt die Erklärbarkeit und Transparenz der eingesetzten KI-Modelle eine weitere Herausforderung dar. Unternehmen müssen die Nachvollziehbarkeit von KI-basierten Entscheidungen gewährleisten können. Die Vermeidung einer Blackbox ist vor allem für Aufsichtsbehörden von höchster Bedeutung, da sie die Ergebnisse überprüfen können müssen – und zuständige Stellen, wie Strafverfolgungsbehörden, in der Lage sein müssen, sie zu verwenden. Um die Nachvollziehbarkeit des eingesetzten KI-Modells zu erhöhen, können zum Beispiel Modell-Entwickler eng mit den Compliance-Teams zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Verständnis der angewandten KI zu fördern. Zudem können KI-Module in bestehende regelbasierte Modelle integriert werden, anstatt diese zu ersetzen.

Ein weiterer Aspekt, dem Finanzinstitute beim Einsatz von KI sensibel begegnen sollten, ist die potenzielle Diskriminierung von Personen. KI ermöglicht umfassendere und tiefgreifendere Erkenntnisse aus den Kundendaten, verarbeitet diese objektiv und kann auch ungewollte Verbindungen ziehen. So kann der Einsatz von KI bei der Kundenbewertung zu erschwerten Kreditvergabebedingungen für bestimmte Personengruppen führen. Das Risiko besteht darin, dass Algorithmen Merkmale nutzen könnten, die aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden dürfen – etwa durch die Korrelation von verbotenen Merkmalen wie Nationalität oder Geschlecht mit anderen für die Bewertung zugelassenen biografischen Daten wie Wohn- oder Beschäftigungsverhältnissen. Finanzinstitute können Kontroll- und Transparenzmechanismen (zum Beispiel regelmäßige Audits oder Feedbackschleifen) etablieren, um unrechtmäßige Schlussfolgerungen durch die angewandte KI zu vermeiden.

Regulatorische Entwicklungen

Die zunehmende Verbreitung von KI gibt Aufsichtsbehörden Anlass, neue regulatorische Maßnahmen einzuführen, die auch den Finanzsektor betreffen werden. Die EU geht mit dem Artificial Intelligence Act voran und verfolgt einen risikobasierten Ansatz zur Regulierung von KI. Auch andere Länder ergreifen erste Schritte zur Risikominderung beim Einsatz von KI – wie etwa das Vereinigte Königreich mit der Bletchley Declaration oder die USA mit dem Artificial Intelligence Risk Management Framework. Das gemeinsame Ziel besteht darin, eine ausgewogene Balance zwischen der Förderung von Innovation und der Sicherstellung eines verantwortungsbewussten Umgangs mit künstlicher Intelligenz zu erreichen. Finanzinstitute müssen die neuesten regulatorischen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und ggf. bestehende KI-basierte Prozesse und Systeme sorgfältig überprüfen und anpassen, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

Bei gezieltem und verantwortungsbewusstem Einsatz hat künstliche Intelligenz das Potenzial, die Bekämpfung von Finanzkriminalität zu optimieren. KI steigert nicht nur die Qualität der generierten Treffer, was zu einer höheren Aufklärungsquote führt, sondern reduziert auch dank Echtzeitfähigkeit und Präzision die False-Positive-Rate, verringert den manuellen Aufwand in Compliance-Teams und ermöglicht damit erhebliche Kosteneinsparungen für Finanzinstitute. Eine sorgfältige Abwägung zwischen den Vorteilen und den Risiken sowie Herausforderungen ist entscheidend, um die Integrität und Sicherheit von Anti-Financial-Crime-Maßnahmen zu gewährleisten und den Kampf gegen die Finanzkriminalität signifikant zu verbessern.

Über diesen Autor

Samira Salim, CGI

Samira Salim

Expertin für Anti-Financial Crime und Payments

Samira Salim berät im Banking Umfeld zu den Themen Anti-Financial Crime (AFC) und Zahlungsverkehr. Sie zeichnet sich durch ein breites Wissensspektrum aus, das Know Your Customer, Fraud Prevention, Transaction Monitoring und Sanctions umfasst.