Der Einzelhandel im Jahr 2023 befindet sich inmitten herausfordernder Zeiten. Konsumzurückhaltung, Zinsanstieg, Krieg in Europa, Digitalisierungsdruck und verändertes Kundenverhalten stellen Aufgaben an Händler, wie sie in dieser Dichte wohl selten vorkamen. Wie kann sich eine Organisation aufstellen, um in der Zukunft erfolgreich zu sein?
Die Relevanz des stationären Modehandels
Retail ist die Versorgung mit Gütern und Produkten, die wir haben müssen oder wollen. Der Retail versorgt uns mit Notwendigem und Luxus, der individuelle Nutzen erstreckt sich vom Überleben bis zum reinen Vergnügen. Mode zählt als Versorgung mit Kleidung zu den Grundbedürfnissen, bedient aber zu einem Großteil Luxusbedürfnisse wie Optik, Haptik, Praktikabilität, Status. Daher muss der Modehandel an das „Wollen“ und an das „Schöne“, nicht an das „Müssen“ appellieren.
Modehändler verfolgen dieses Prinzip schon lange. Wir sehen, dass Modemarken und Händler sich in der großen Mehrzahl über ihr Produkt definieren. Das Produkt, die Kollektionen, stehen im Mittelpunkt jeder unternehmerischen und strategischen Entscheidung. Ein gutes Produkt wird immer seine Käufer finden und niemand ist besser darin, Trends zu erkennen und umzusetzen, als die etablierten Player selbst.
Die Modebranche hatte Jahrzehnte Zeit, diese Prinzipien zu optimieren und das richtige Produkt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzubieten. Der Vertrieb über die Fläche wurde perfektioniert und hat Brands groß werden lassen. Die Kunden verlassen sich auf das Sortiment, gute Beratung und das Angebot vor Ort. Über Jahrzehnte haben Modehändler so treue Kunden gewinnen können und erfolgreich am Markt bestehen können. Die Organisation selbst, das Unternehmen hinter dem Produkt und Verkauf, hat sich entsprechend entwickelt und ist gewachsen.
Der Handel wird digital
Mit den ersten Erfolgen des Online-Shoppings mussten sich auch Modehändler die Frage stellen, wie mit diesem neuen Vertriebskanal künftig umgegangen werden soll. Nach den ersten Experimenten und anfänglicher Skepsis hat sich das Einkaufen von Mode online etabliert, praktisch jeder Händler verfügt über eine eigene Webpräsenz oder einen Onlineshop. Häufig innerhalb der Organisation mit eigenen Abteilungen vertreten. Online-Pure Player, die niemals über eigene Ladenflächen verfügten, steigern ihre Marktanteile. Heute drängen globale Player auf den Markt, die erneut den Modehandel neu denken, sei es über Social Media als Vertriebskanal oder mit Produkten, die erst auf Nachfrage in Masse hergestellt werden, Online-Player 2.0.
Die rapide technologische Entwicklung der vergangenen 20 Jahre hat die Existenz der Online-Pure Player und der Online-Player 2.0 erst ermöglicht. Durch die digitale Datenverarbeitung, Echtzeitübermittlung von Beständen, Shopping über das Smartphone und Analysetools, die KI (Künstliche Intelligenz) nutzen, liegt der Schluss nahe, dass etablierte Brick and Mortar (physische Verkaufsflächen) Händler sich ihren Marktanteil allein durch die Einführung ebenfalls neuer Technologien sichern können.
Doch hält dieser Schluss der Realität stand? Das Angebot an Tools und Softwarelösungen ist mindestens so vielfältig wie die Anforderungen für jeden Händler individuell sind. Online-Pure Player und Online-Player 2.0 sind de facto Technologieunternehmen, deren Strategie im technischen Ermöglichen von Verkäufen liegt. Kaum ein klassischer Retailer kann sich ohne externes Know-how hier messen. Das Angebot an Lösungen ist unüberschaubar, die Auswahl des richtigen Tools erfordert mehr Fachwissen als vorhanden, und am Ende enttäuschen Lösungen, da sie nicht optimal genutzt werden. Zu viele Onlineshops von klassischen Modehändlern entfalten nicht ihr Potential, In-Store Lösungen werden nicht angenommen und führen zu Frustration auf allen Ebenen, von Kunden bis zu Verkäufern.
Die Stärke der stationären Händler
Doch wo sehen wir das Geschäftsmodell der Zukunft für etablierte Marken und Händler? Was muss geschehen, damit die Zukunft erfolgreich gestaltet wird? Wie transformiert ein Brick and Mortar Händler sein Geschäftsmodell für das Jahr 2030 und darüber hinaus?
Dafür muss sich jeder Händler die Frage stellen lassen, wo seine Stärke liegt. Was ist es, dass die Kunden seine großartigen Produkte kaufen lässt? Wie hat die Marke erreicht, dass sie eine Rolle spielt? Wo liegen das Kernpotential und die Kernkompetenz im Unternehmen? In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird die Antwort sein: Auf der Fläche.
Kein Online-Pure Player hat jemals eine Fläche aktiv bespielt. Kein Online-Player 2.0 hat einen Kunden vor Ort inspiriert und überzeugt. Klassische Händler haben aber so ein Imperium aufgebaut: Optik, Haptik, Praktikabilität, Status. Der Fashion Retail muss an das „Wollen“ und an das „Schöne“ appellieren. Die Zukunft der Mode liegt auch auf der Fläche als Inspirations- Wohlfühl- und Erlebnisraum. Ein gutes Produkt wird immer seine Käufer finden und niemand ist besser darin, Trends zu erkennen und umzusetzen, als die Brands selbst.
Daher muss jeder Wandel von der Fläche ausgehen und darf nicht vor Abteilungsgrenzen zurückschrecken. Technologie ist kein Selbstzweck, sondern Ermöglicher für die Verkäufe von Morgen. Daher führt nicht die Technologie allein in die Zukunft, sondern die Freiräume, die durch sie geschaffen werden. Mit unseren Expertenteams finden wir für jeden Retailer die individuelle, holistische Lösung, mit der sein Geschäftsmodell zukunftsfest wird.
Was bedeutet das konkret?
Wir beobachten heute häufig, über Branchengrenzen hinweg, dass neue Technologien als Projekt des IT-Departments verstanden werden. Spezialisten entscheiden, welches Tool eingeführt werden soll und die Implementierung erfolgt Top-down: Von den Entscheidern bis zur Anwendung durch Mitarbeiter und Kunden. Während das Vorgehen an sich legitim ist, bleiben zu häufig eine optimale Nutzen- und Potentialanalyse aus. Die Fachabteilungen sind Profis in Ihrem Bereich, der Nutzen für das Gesamtgeschäft wird jedoch unter Umständen zu wenig beachtet. Das Verständnis und die Akzeptanz im Middle Management bis zur Fläche sind zu gering. Erst wenn die Auswahl einer neuen Technologie damit einhergeht, dass die Gesamtprozesse berücksichtigt und überprüft werden, sich Abteilungen neu aufstellen oder zusammenschließen, um einem einheitlichen Ziel (Das beste Produkt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort) zu folgen, lässt sich das Maximum aus einer Lösung herausholen. So reicht es zum Beispiel nicht aus, einen Terminal für Ship-from-Store aufzustellen: Erst wenn das Storeteam den Mehrwert erkennt, sich die Abläufe des stationären Geschäfts anpassen und das Headquarter beantworten kann, was eigentlich Online- und was Offlineumsätze sind, wird der Service Ship-from-Store optimal genutzt werden. Gleichzeitig kann nur so die Kernkompetenz Fläche ausgenutzt werden und man kann sich vom Wettbewerb, insbesondere von Online-pure und Online 2.0, gewinnbringend absetzen.
Fashion-Stores sollten als Erlebnisraum verstanden werden, an dem Kunden immer Neues erleben. Die Fläche wird überleben, wenn sie kuratiert die Marke repräsentiert und die Kunden inspiriert. Retailer sollten die Digitalisierung als Ermöglicher sehen, Personal und Kunden Spaß am Interagieren haben. Silos werden aufgelöst und das ganze Unternehmen folgt einer gemeinsamen Vision: Mode zu verkaufen, das Schöne und Neue zu verbreiten!