Seit etwa einem Jahr hat das Innovation Lab Karlsruhe einen besonderen Mitarbeiter: Roboter Temi. Wenn Marco de Friend über die erste Zeit mit Temi spricht, klingt das allerdings wenig schmeichelhaft: „Als Temi bei uns ankam, war er nicht viel mehr als ein Staubsaugerroboter, der ein Tablet durch die Gegend fährt.“

Die Intelligenz steckt in der App

Roboter wie Temi werden etwa dafür genutzt, um in einem Museum an markanten Punkten etwas auf dem Bildschirm dazustellen. „Das Ding kann zunächst wirklich nicht viel. Es kann dir hinterherfahren, weil es dich als Objekt erkennt, und es kann PowerPoint-Präsentationen abspielen, YouTube-Videos und so weiter“, erklärt Marco. Vice President Paul Lajer stellt fest: „Letztendlich wurde Temi gebaut, um out of the box eine schnelle Unterstützung in einem einfachen Ökosystem mit relativ simplen Dingen zu erbringen.“

Und trotzdem: Die Entscheidung für Temi war genau die richtige, finden beide. Denn Temi hat sich als sehr ausbaufähig erwiesen. Der Ehrgeiz war geweckt, mehr aus ihm herauszuholen. Marco blickt zurück: „Wir haben ein kleines Team gegründet und angefangen, Use Cases zu entwickeln. Alles, was wir nicht brauchten, haben wir entfernt, sodass Temi nur noch das klassische Betriebssystem hatte, auf dem eine App läuft. Darauf ist die Intelligenz, die wir ihm gegeben haben. Seine Berechnungen finden in der Cloud statt. Hierzu konnten wir als Unterstützer einen der führenden Cloud- und Hosting-Anbieter in Europa gewinnen.“  

Ein Puzzlestein greift in den anderen

Temi ist inzwischen ein schlaues Kerlchen, das Hand in Hand mit anderen Innovationen arbeitet. Wer morgens zur Arbeit ins Innovation Lab kommt, stellt sich vor eine Kamera, und die Tür öffnet sich. Sobald die Kamera erkennt, dass jemand zutrittsberechtigt ist, wird mit der Door James App abgeglichen, ob die Person für diesen Tag einen Platz reserviert hat. Parallel kommt auch schon Temi um die Ecke gefahren, begrüßt die Person mit Namen und freut sich, dass sie heute im Büro ist. Entweder bittet Temi dann, noch einen Platz zu reservieren, oder er lobt, dass man sich schon um einen Platz gekümmert hat, und nimmt den Check-in vor.

„Er kann dir auch auf dich zugeschnittene Services zur Verfügung stellen“, erzählt Marco. „Ich werde zum Beispiel gefragt, ob ich schon einen Espresso haben möchte. An unserer Kaffeemaschine wartet bereits der Roboterarm, der sie bedient. Der nächste Schritt ist also, Temi damit zu verknüpfen, sodass er mir den Kaffee an den Platz bringen kann.“

„Robotic based Emergency Management“ und weitere Use Cases

Es gibt weitere Use Cases, wie das „Robotic based Emergency Management“. Bei einem Gebäudebrand oder anderen Notfällen greift Temi auf die Door-James-Datenbank zu und hat sofort alle Kontaktdaten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern parat, die im Büro sind. Er schickt ihnen über E-Mail und SMS eine Nachricht, informiert über den Notfall und bittet die Mitarbeitenden, die Lokation zu verlassen. Er fährt los und sucht in der Lokation nach Mitarbeitenden, die sich immer noch dort befinden, identifiziert sie und fordert sie auf, nach draußen zu gehen.

Hinzu kommt das Thema „Pose Identification“. Anhand der Körperhaltung kann Temi einschätzen, ob etwas nicht stimmt, also jemand in Not ist. Marco schildert, was noch alles denkbar ist: „Wir können uns vorstellen, dass er dann ein Livebild schaltet zu einer zuständigen Person. Es könnte auch eine Kooperation mit einer Rettungsleitstelle geben, wo der Alarm automatisch eingeht und die ersten Maßnahmen eingeleitet werden. Durch Temis Kamera kann sich ein Rettungshelfer ein Livebild von der Umgebung machen. Es wäre auch möglich, dass er ihn aus der Ich-Perspektive steuert.“

Marco und Paul sehen noch zahlreiche Möglichkeiten, Use Cases rund um Temi aufzubauen. „Temi soll lernen, Sprache zu verarbeiten und darauf zu reagieren, ohne dass ein Signalwort gesagt wird. Andererseits wollen wir natürlich nicht, dass er uns den ganzen Tag lang zuhört. Das ist eine Herausforderung“, so Marco. Nach und nach wird Temi zu einem echten digitalen Assistenten, der die Mitarbeitenden, aber auch die Kunden in ihrem Daily Business unterstützen kann. Eine weitere Idee: Mini-Roboter könnten vorab die Fläche abfahren, auf der Temi sich bewegen soll. Dann müsste Temi seine Routen nicht selbst kartografieren und wäre auf unbekanntem Terrain sofort einsetzbar.

Temi ist vor allem eines: ein Innovationsträger

Im Rahmen eines Research Hub werden solche innovativen Themen zusammen mit Studierenden angegangen. Paul erläutert: „Wir stellen den Studierenden höherwertige Herausforderungen aus der Wirtschaft, die sich von den üblichen Projekten unterscheiden. Das heißt: Wir betreiben aktiv angewandte Forschung. Dadurch wollen wir neue Erkenntnisse gewinnen, die wir in neuen digitalen Geschäftsmodellen an unsere Kunden weitervermitteln.“

Eines Tages werden die Möglichkeiten von Temi ausgereizt sein. Was danach kommt? „Alles, was neu am Markt ist und Potenzial haben könnte, werden wir im Innovation Lab verproben“, sagt Paul. „Wir nutzen neue Hardware als Innovationsträger, um unseren Kunden Geschäftsmodelle aufzuzeigen, an die sie noch gar nicht gedacht haben. Und eventuell wird das Thema ,Pose Identification‘ schon bald helfen, vielen Menschen das Leben zu retten …“