Georg Pfeffer

Georg Pfeffer

Business Analyst

In China bar oder mit Karte zahlen? Das war gestern. Heute zahlen die Bürger ihre Einkäufe mit WeChat Pay oder AliPay. WeChat zum Beispiel bietet aber noch mehr.

Die Nutzer können mit der App Audionachrichten versenden, Videotelefonate durchführen, Fotos, Videos oder ihren Aufenthaltsort teilen, Taxis, Lebensmittel oder Essen bestellen, Restaurant- und Stromrechnungen bezahlen, Jobs suchen oder Arzttermine buchen. Kurz: Die App schafft einen echten Mehrwert für den Alltag. Inzwischen versuchen die chinesischen Zahlungsdienstleister, auch auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen. Für die deutschen Finanzinstitute heißt das, sich mit den neuen Systemen auseinanderzusetzen und ein eigenes Zahlungssystem zu entwickeln, um nicht von der chinesischen Konkurrenz überrannt zu werden.

AliPay auf dem Viktualienmarkt

Einen Fuß in der Tür hat China schon. So ist es mittlerweile möglich, mit AliPay an einem Stand auf dem Viktualienmarkt in München zu zahlen, aber nicht mit Karte! Wirecard bringt Alipay nach Stuttgart: Unter dem Projektnamen „China Pay City” führt Wirecard die chinesischen Payment-Ökosysteme Alipay und WeChat Pay bei zunächst rund 50 örtlichen Anlaufstellen der Stadt Stuttgart ein. Weitere Regionen sollen folgen, nachzulesen auf it-finanzmagazin.de. Alipay erlangt eine Zahlungsdienstleisterlizenz für die EU: Luxemburg verleiht der Alipay-Tochter Alipay Limited eine Lizenz für elektronische Zahlungsdienstleister. Mit der Lizenz kann das Unternehmen europäischen Kunden seine Bezahlfunktion anbieten, schreiben cash-online.de und boerse.de.

Zwar ist es aufgrund der Gesetzeslage aktuell noch nicht möglich, in Europa auf die exakte Art und Weise die umfassenden Services anzubieten und zu vernetzen, aber diese Entwicklung lässt sich nicht stoppen, allenfalls verzögern. Auch wenn wir bereits einen gesättigten Markt bei den elektronischen Überweisungen haben. So ist aktuell zwar noch Zeit, darauf zu reagieren, allerdings stellt sich die Frage: Wie?

Lernen, ohne zu kopieren

Die Devise sollte lauten, von AliPay und WeChat Pay zu lernen, ohne sie dabei eins-zu-eins zu kopieren. Man stelle sich eine Banking-Plattform vor, bei der man persönliche Kontakte aus Outlook, Facebook und WhatsApp importieren kann. Dies setzt zum Beispiel das Londoner FinTech „Revolut“ bereits teilweise um. Allerdings darf es hier nicht aufhören, sondern könnte fortfahren mit der Integration der Schuldenverwaltung, wie es etwa die App „I Owe You“ bietet. Benachrichtigungen an Schuldner gingen über die verbundenen Mitteilungsdienste wie E-Mail, SMS, WhatsApp, Telegram etc.

Zusätzlich sollten Umgebungsdaten des Smartphones bzw. Nutzers integriert werden. „Revolut“ erkennt beispielsweise, wenn sich der Nutzer in der Nähe eines Flughafens befindet und bietet eine Reiseversicherung für Geräte per Push-Benachrichtigung an. Für unsere Banken ist es also die Aufgabe, im Sinne der Plattform-Ökonomie soziale Zusatzdienste rund ums Banking und insbesondere Payment aufzubauen. Banken besitzen durch Finanztransaktionsdaten die wahrscheinlich wichtigsten Informationen über eine Person. Somit bietet sich hier die große Chance, hierauf eine Plattform aufzubauen, die zum Dreh- und Angelpunkt für viele andere Dienstleistungen wird.

Erste Schritte in die richtige Richtung

Die Deutsche Bank mit der Beteiligung bei Finanzguru und mit der eigens entwickelten App Yunar geht bereits in die richtige Richtung, allerdings muss dieses Konzept konsequent fortgeführt werden und darf sich nicht mit Teil-Lösungen begnügen (s. auch www.wiwo.de/unternehmen/banken/app-yunar-das-digitalexperiment-der-deutschen-bank/24025322.html). Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist „Open Finance“ von CGI, durch die traditionelle Banken zu „Open Banks“ im Sinne der Plattform-Ökonomie gehoben werden können. Wichtig ist bei den Entwicklungen, deutsche und europäische Aspekte zu beachten. Besonders Deutsche sind gebrandmarkt durch zwei totalitäre Überwachungsstaaten auf deutschem Boden und werden daher vermutlich keine App akzeptieren, die intransparent bei der Verarbeitung von privaten Daten ist. Hier können deutsche Finanzinstitute mit dem Vertrauensaspekt bei Konsumenten punkten, indem sie klar herausstellen, dass sie mit Servern in Deutschland oder der EU und dank der EU-Datenschutzgrundverordnung sicherer sind als amerikanische oder chinesische Anbieter.

Datentransparenz oberstes Gebot

Die Message an Kunden muss lauten: völlige Daten- und Finanztransparenz sowie völlige Kontrolle über die Daten. Das bedeutet: Der Kunde kann zustimmen, ablehnen oder ändern, wer was sehen und mit den eigenen Daten machen darf. Es gilt also, ein System zu entwickeln, das die großen Bargeld-Aspekte „Anonymität“ und „Nicht-Nachverfolgbarkeit“ mit abdeckt. Dies könnte mit einer Kryptowährung umgesetzt werden, über die man pseudonym bezahlen und Geld überweisen kann. Gerade hier entsteht noch ein zusätzlicher Wettbewerb durch die etablierten Messenger-Dienste von WhatsApp und Telegram, die bereits an einem In-App-Payment über Kryptowährungen arbeiten.

Um gegen den außer-europäischen Wettbewerb bestehen zu können, ist es also wichtig, so schnell wie möglich den kompletten EU-Raum zu adressieren und dabei dennoch stets landesspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Viele individuelle Lösungen pro Land werden es ungleich schwerer haben, sich zu behaupten.

Der Wettlauf hat begonnen

Aktuell nutzen AliPay und WeChat Pay noch die Unterstützung durch lokale Finanzinstitute (zum Beispiel Wirecard), aber wer die Chinesen kennt, weiß, dass dies nur ein notwendiger Zwischenschritt für sie ist, um unabhängig in Europa aktiv zu werden. Auch, wenn man den Startschuss nicht hören konnte, hat das Wettrennen zwischen hiesigen Finanzdienstleistern und ausländischen Tech-Giganten bereits begonnen!

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Business Analyst

Georg Pfeffer ist Business Analyst mit Expertise für Prozesse, Content-Management-Systeme und User Experience.