Die Polizeiarbeit zeichnet sich durch ein breites Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum aus: von Analyse- und Recherchetätigkeiten über Sachbearbeitung bis hin zu kritischen Einsatz-Szenarien. Dadurch ergeben sich hohe Ansprüche an die Polizei-IT. Zum einen muss sie stets höchsten Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen genügen, zum anderen muss sie Tätigkeiten sowohl in den Dienststellen als auch auf der Straße und im Einsatz unterstützen.
Der Abschied von Stift und Papier
Eine besondere Rolle fällt dabei dem Themenkomplex Mobilität bzw. Mobile Police zu – gerade für den Einsatz im Feld. Noch vor wenigen Jahren wurden viele Tätigkeiten auf Basis von Funkgeräten und „Stift und Papier“ durchgeführt sowie anschließend in den Dienststellen nachbearbeitet und digitalisiert. Dies erzeugte nicht nur hohe Aufwände, sondern führte auch dazu, dass bestimmte Aktionen spontan auf der Straße gar nicht möglich waren oder lange dauerten.
In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert. Bei allen Länderpolizeien Deutschlands werden inzwischen dienstliche Smartphones eingesetzt – teilweise noch recht eingeschränkt und isoliert, teilweise bereits voll integriert in die polizeilichen Fachverfahren. Nach und nach werden immer mehr „Papier“-Prozesse mit Hilfe von Smartphones digitalisiert, ergänzt oder neu gedacht.
Mehr Zeit fürs Wesentliche
Sogar für einfach scheinende Prozesse wie das Abschleppen eines Kfz sind häufig diverse manuelle Schritte bzw. manuelle Datenerfassungen erforderlich, um die notwendige Dokumentation zu schaffen. Erst dann kann die eigentliche Tätigkeit – in diesem Beispiel das Beauftragen und Durchführen des Abschleppvorgangs – erfolgen. Im Nachgang sind meist weitere Ablage-Tätigkeiten in der Dienststelle zu erledigen.
Mit Scan-, Ortungs- und Ausfüllfunktionen kann eine Smartphone-App die Arbeitszeit, insbesondere für Dokumentations- und Ausfülltätigkeiten, deutlich reduzieren. Im Idealfall hat sie eine direkte und sichere Verbindung zu internen Vorgangsbearbeitungssystemen. Dies verschafft den Einsatzkräften mehr Zeit für höherwertige Tätigkeiten und minimiert gleichzeitig Fehlerquellen.
In anderen Fällen ermöglicht die Nutzung des Smartphones sogar völlig neue Anwendungsfälle oder schafft neue Mehrwerte, wie zum Beispiel die Ad-hoc-Übersetzung in dutzende Sprachen. Während eine solche Funktion im privaten Bereich schon seit Jahren normal und verbreitet ist, sind für den Einsatz im polizeilichen Umfeld jedoch besondere Vorkehrungen und Absicherungen im Hinblick auf IT-Sicherheit und Datenschutz zu treffen.
Individuelle Lösungen sind gefragt
Die heterogene Natur der IT-Landschaft der deutschen Polizeien wird gerade im Kontext Mobile Police besonders deutlich: von unterschiedlichen Endgeräten und Management-Lösungen über verschiedene Netz- und Zugangsinfrastrukturen bis hin zu unterschiedlichen Fachverfahren (und damit auch individuellen Apps für den Zugriff auf diese). Es gibt zwar vereinzelt Kooperationen sowie externe Anbieter von Standard-Apps oder sogar umfassendere Bemühungen, eine gewisse Harmonisierung herbeizuführen – wie das Programm „Polizei 2020“ unter Führung des BKA. Auf absehbare Zeit bleibt es jedoch dabei, dass die meisten Länderpolizeien auf sich gestellt sind und für ihre Anforderungen und Rahmenbedingungen individuelle Lösungen im Kontext Mobile Police schaffen müssen.
Mobile-Police-Programme eröffnen Chancen
Wenngleich eine große Herausforderung, liegt hierin auch eine große Chance für die weitere Beschleunigung der Digitalisierung der Polizeiarbeit sowie für die positive Entwicklung des Arbeitsumfelds in der IT. Zu letzterem besteht, teilweise völlig zu Unrecht, in der öffentlichen Wahrnehmung ein negatives und rückständiges Bild, wodurch das Finden und Halten von IT-Personal für die Polizei erschwert wird.
Um zu verdeutlichen, wo mit der Fortentwicklung der verschiedenen Mobile-Police-Programme eine große Chance einhergeht, hilft es, den groben Prozess einer App-Entwicklung heranzuziehen:
- Bedarfsanalyse und Ideenfindung nah am Endbenutzer
- Anforderungsanalyse und Prototyping
- Agile Projektsteuerung und Entwicklung nach dem CI/CD-Prinzip, enger Schulterschluss mit der Weiterentwicklung des Fachverfahrens-Backends
- (Automatisiertes) Sicherheits- und Funktionstesting
- Rollout/Einführung, begleitende Kommunikation und anschließendes Monitoring
- Kontinuierliche Weiterentwicklung
Sicherheit vor Innovation?
Meist sind Fachverfahren bei der Polizei über viele Jahre etabliert und werden nur minimal weiterentwickelt – häufig gilt die Prämisse: Sicherheit und Stabilität vor Innovation (und Risiko). Diese Sichtweise ist mit Blick auf die besondere Stellung und Verantwortung der Polizei nicht unbedingt falsch. Sie führt jedoch dazu, dass einige der obigen Punkte, die prinzipiell für jede Anwendungsentwicklung gelten, nicht (mehr) berücksichtigt werden.
Die intensive Bedarfs- und Anforderungsanalyse etabliert sich
Da im Kontext Mobile Police viele Anwendungsfälle erstmalig mobil bereitgestellt werden, ist eine intensive Bedarfs- und Anforderungsanalyse nah an den verschiedenen polizeilichen Benutzergruppen sehr wichtig. Es hilft schließlich nichts, wenn eine App für einen polizeilichen Vorgang entwickelt wird, den die Nutzer dann gar nicht auf dem Smartphone ausführen wollen, sondern zum Beispiel im Nachgang auf der Dienststelle. Die modernen und attraktiven Methoden, die dafür eingesetzt werden (wie Design Thinking, Prototyping etc.), werden nicht nur für die nächsten App-Entwicklungen genutzt, sondern können ein Stück weit übergreifend in der IT- und Verfahrens-Landschaft der Polizei verankert werden. So tragen sie dazu bei, diese nachhaltig zu transformieren und zu modernisieren.
Nachwuchskräfte einbinden
Wir sind sowohl in mehreren Bundesländern Deutschlands als auch in vielen europäischen Nachbarländern seit langer Zeit ein wichtiger Partner der Polizei. Die Einführung von Mobile Police haben wir in zahlreichen Projekten und im Rahmen der andauernden Betriebsunterstützung vorangetrieben und begleitet. Dabei sehen wir, dass einige Länderpolizeien auf zentrale Innovation Labs setzen, während andere zur Nutzung der modernen Methoden ein dezentrales Enabling der Organisation bevorzugen. Wir unterstützen beide Modelle in verschiedenen Engagements und richten uns dabei stets nach den individuellen Rahmenbedingungen des Kunden.
Diese Themenfelder bieten sich hervorragend für die Integration von Nachwuchskräften auf Seiten des Kunden an. Wir bringen verschiedene erprobte Ansätze ein, wie dies auf Basis der Erfahrung der jeweiligen Nachwuchskräfte erfolgreich gelingen kann. Auf diese Weise werden junge Talente früh mit spannenden Themen und Tätigkeiten gebunden.
Mobile Police ist weit mehr als die Bereitstellung mobiler IT-Lösungen für den Polizeieinsatz: Die Programme treiben die Transformation und Modernisierung der gesamten IT- und Verfahrenslandschaft voran – und tragen dazu bei, dass die Polizei sich unter jungen Talenten als attraktiver Arbeitgeber positioniert.