Andreas Klein, CGI

Andreas Klein

Executive Consultant

„It’s not easy being green!” Kermit the Frog

Im Pariser Klimaabkommen von 2015 haben sich die unterzeichnenden Staaten dazu verpflichtet, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Doch diese Schwelle wird vermutlich schon in 5 bis 6 Jahren überschritten sein. Auch der IT-Sektor ist ein Teil des Problems. Laut einer Bitkom-Studie von 2023 ist der Energiebedarf in deutschen Rechenzentren zwischen 2010 und 2022 von 10,4 auf 17,9 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr angestiegen [1]. Eine Prognose dieser Studie sagt einen weiteren Anstieg auf fast 35 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr bis 2030 voraus – verbunden mit den dadurch anfallenden CO2-Äquivalenten (CO2e).

Das große Ziel: kleine Emissionen

Nur wenige Branchen haben sich bisher schnell genug bewegt, um die Energiewende zu unterstützen – und das gilt auch für den IT-Sektor. Eine Hoffnung liegt auf Green Software: Dies sind Anwendungen, die weniger CO2e-Emissionen ausstoßen. Energieoptimierte Software hat einen direkten Einfluss auf den Energie- und Ressourceneinsatz im Rechenzentrum, in der Cloud oder am Arbeitsplatz sowie auf die Nutzung erneuerbarer Energien.

Dabei lässt sich Green Software in Carbon-Efficient und Carbon-Aware Software unterscheiden:

  • Das Ziel von Carbon-Efficient Software ist, die Anwendungen so zu optimieren, dass sie weniger Energie oder weniger Hardware-Ressourcen benötigen und somit CO2e-Emissionen einsparen. 
  • Das Ziel von Carbon-Aware Software ist, durch Änderung des Verhaltens der Anwendung weniger CO2e-Emissionen zu erzeugen.
     

Der unersättliche Energiehunger der IT

Das Mooresche Gesetz besagt, dass sich die Zahl der Transistoren integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten regelmäßig verdoppelt – je nach Quelle alle 12, 18 oder 24 Monate. Allerdings ist die Gesetzmäßigkeit der kontinuierlichen Performancesteigerung von Hardware mittlerweile außer Kraft gesetzt. So entspricht zum Beispiel die 2016 von Intel veröffentlichte Roadmap nicht mehr dem Mooreschen Gesetz.

Dies erweist sich im Zusammenhang mit dem Wirthschen Gesetz zunehmend als Problem: „Die Software wird schneller langsamer, als die Hardware schneller wird.“ Wir benötigen immer mehr Hardwareressourcen, um die immer langsamer werdende Software in ausreichender Performance zur Verfügung stellen zu können – mit dem Resultat, dass dafür immer mehr Energie verbraucht und CO2e produziert wird.

Code efficiency matters!

Code-Optimierung ist eine Möglichkeit diesem Problem entgegenzuwirken. Code, der weniger CPU/GPU-Last erzeugt, hat großen Einfluss auf CO2e-Emissionen. Techniken zur Code-Optimierung sind zum Beispiel aus dem High-Performance-Computing bekannt und erprobt. Allerdings muss hierzu in der Software-Entwicklung ein hoher Aufwand betrieben werden. Die Nutzung effizienter und performanter Plattformen und Libraries ist die effektivste Methode, Wirtschaftlichkeit mit Energie-Effizienz zu verbinden.

Große Einsparpotenziale auch bei Speicher und Hardware

Eine weitere Möglichkeit der Optimierung besteht darin, die Menge der gespeicherten Daten zu reduzieren. Redundante Daten belegen Speicherplatz, der im Betrieb CO2 erzeugt. Die weltweite Datenmenge wird sich in dem Zeitraum von 2018 bis 2025 mehr als verfünffachen [2]. Speicher ist neben Servern und Kühlung der drittgrößte Energiekonsument im Rechenzentrum. Die Analyse und Optimierung von Datenspeicherung, Datenstrukturen und -zugriffen hat somit einen signifikanten Einfluss auf die CO2e-Emissionen.

Auch eine effizientere Auslastung der Hardwareressourcen (etwa durch Cloud-Computing, Serverless-Services, Containerisierung und Container-Orchestrierung) bietet großes Einsparpotential, weil Serversysteme typischerweise in einem energie-ineffizienten Auslastungsbereich betrieben werden.

Laut einer Studie der Universität Zürich entfallen im Hardware-Lifecycle die meisten CO2e-Emissionen auf die Produktions- und Entsorgungsphase [3]. Eine Verlängerung der Hardware-Nutzungsdauer reduziert somit diese „embodied“ CO2e-Emissionen pro Zeiteinheit und würde sich zudem massiv auf ein anderes Umweltthema auswirken: E-Waste. Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE) ist der am schnellsten wachsende Abfallsektor [4]. Nach Angaben der UNO wurden 2019 weltweit 50 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert, und es wird erwartet, dass diese Menge bis 2050 auf 120 Millionen Tonnen ansteigen wird [5]. Elektroschrott enthält giftige Stoffe wie Blei, Kadmium, Quecksilber und Arsen, die sowohl für die Umwelt als auch für den Menschen gefährlich sind [6].

Carbon-Aware Software und erneuerbare Energien: ein perfektes Team

Carbon-Aware Software folgt dem Prinzip: Tue mehr, wenn der Strom sauberer ist, und weniger, wenn der Strom schmutziger ist. Diese Idee trägt der Tatsache Rechnung, das CO2e-Intensität je nach Standort variiert und vom jeweiligen regionalen Energiemix abhängig ist. Die CO2-Intensität ändert sich im Laufe der Zeit aufgrund der Variabilität der erneuerbaren Energien, die durch die Unvorhersehbarkeit der Wetterbedingungen verursacht wird. Ein Beispiel: Wenn es bewölkt ist oder der Wind nicht weht, steigt die CO2e-Intensität, da ein größerer Anteil des Stroms im Energiemix aus Quellen stammt, die CO2e emittieren.

Software, die weniger CO2e-Emissionen erzeugen soll, muss hierauf reagieren. Dies kann durch die räumliche und/oder temporäre Verlagerung der Rechenleistung erfolgen. Hierzu bieten Dienstleister APIs (Programmierschnittstellen) an, die Informationen über die aktuelle oder zukünftige CO2e-Intensität der an einem bestimmten Standort verfügbaren Energie bereitstellen.

Der Druck steigt – auch aufgrund der Berichtspflichten

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet die Europäische Kommission Unternehmen zur Veröffentlichung von Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit [7]. Die Richtlinie regelt die Berichtspflichten von Unternehmen bezüglich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen, sofern diese wesentlich für ihr Geschäftsergebnis oder aus ökologischen oder sozialen Gründen wesentlich sind. Mit der CSRD entsteht für viele Unternehmen die Pflicht, erweitert über nachhaltiges unternehmerisches Handeln zu berichten. Dies betrifft insbesondere alle Unternehmen, für die IT wesentlicher Teil der Erfüllung ihrer Geschäftstätigkeit ist. Das Ziel ist die Dekarbonisierung der Geschäftstätigkeit – und damit auch der IT.

„We need climate action on all fronts; and we need it now!” António Guterres, UN-Generalsekretär

Mittels Green Software CO2e-Emissionen einzusparen, heißt nicht zuletzt aber auch: Kosten zu sparen. Eine Green-Software-Initiative ist sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich nachhaltig. Carbon-Efficient und Carbon-Aware Software führen zu geringerem Hardwareeinsatz – und sowohl zu weniger CO2e Emissionen als auch zu niedrigeren IT-Kosten.

Außerdem: Die Hardware wird immer langsamer schneller. Der Druck zu handeln, wird weiter zunehmen.

 


Quellangaben:

[1] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2023-05/BitkomStudieRechenzentreninDeutschland2023.pdf

[2] https://www.iwd.de/artikel/datenmenge-explodiert-431851/

[3] https://www.ifi.uzh.ch/dam/jcr:066776d8-d2b0-4c7c-b75d-6b7283cb5791/Study_Digitalization_Climate_Protection_Oct2017.pdf

[4] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0956053X20305870

[5] https://www.unep.org/news-and-stories/press-release/un-report-time-seize-opportunity-tackle-challenge-e-waste

[6] https://www.epa.gov/international-cooperation/cleaning-electronic-waste-e-waste

[7] https://www.csr-in-deutschland.de/DE/CSR-Allgemein/CSR-Politik/CSR-in-der-EU/Corporate-Sustainability-Reporting-Directive/corporate-sustainability-reporting-directive-art.html

Über diesen Autor

Andreas Klein, CGI

Andreas Klein

Executive Consultant

Andreas Klein ist als Experte für Agile-Coaching und Software-Architektur für die erfolgreiche Umsetzung von Softwareprojekten verantwortlich. Hierbei lässt er seine Erfahrung von mehr als 25 Jahren aus den unterschiedlichsten Bereichen der IT in die Projekte einfließen.