Es geht in die erste Runde: wir stellen, wie angekündigt, Techniken vor, die wir selbst in Retrospektiven in der Praxis verwendet haben. Wie in "Retro 1: Retrospektiven greifbar machen" schon beschrieben, orientiere auch ich mich an den fünf Steps im Ablauf einer Retrospektive. In dem heutigen Artikel möchte ich mich jedoch auf eine Technik konzentrieren, die sich auf Daten sammeln & priorisieren bezieht: Die 4L’s.
4L’s
Die 4L’s teilen sich auf in Liked, Learned, Lacked und Longed for. Die Methode betrachtet damit sowohl die positiven Highlights (liked & learned) und negativen Aspekte (lacked & longed for) eines Sprints. Dabei werden Fakten und Emotionen der Teilnehmer aufgenommen. Jeder Teilnehmer bearbeitet individuell die Kernfragen des jeweiligen Ls, diese lauten wie folgt:
- Liked: Was ist in dem vergangenen Sprint gut gelaufen? Was hat mir gefallen? Mögliche Antworten können hier von bestimmten Prozessen und Technologien bis hin zum Teamzusammenhalt reichen.
- Learned: Was habe ich vom letzten Sprint gelernt? Neue Entdeckungen, Highlights oder interessante Themen können hier aufgeführt werden.
- Lacked: Was hat mir in der letzten Iteration gefehlt? Es könnte sein, dass etwas unklar formuliert gewesen ist oder etwas vermisst wurde, damit die Iteration erfolgreich läuft.
- Longed for: Gibt es etwas, was ich mir gewünscht hätte, damit das Projekt erfolgreich verläuft? Hier können ebenfalls neue Ideen entwickelt werden.
Betrachten wir die Kernfragen von Liked und Learned fällt auf, dass sich die „likes“ auf eine emotionale Ebene des einzelnen Teilnehmers begeben, während sich das learned auf Ergebnisorientierung abzielt. Lacked ist vergangenheitsorientiert auf den Sprint bezogen, während longed for den zukünftigen Verlauf des Projekts beeinflussen kann.
Daten sammeln & priorisieren
Es werden vier Poster im Raum verteilt aufgehängt, für jedes L ein Poster. Anschließend haben alle Teilnehmer einige Minuten Zeit ihre Gedanken auf Post-its zu schreiben und dem jeweiligen Poster zuzuordnen. Alternativ kann der Scrum Master die Teilnehmer einzeln befragen und die Post-its schreiben. Ich persönlich finde die erste Variante dynamischer, da die Teilnehmer sich aktiver einbringen müssen. Abschließend werden die Post-its priorisiert und in der Tiefe besprochen.
Für die Priorisierung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist es die Teilnehmer in vier Gruppen aufzuteilen. Jede Gruppe bespricht für sich ein L und priorisiert die Themen, über die sie weiterhin sprechen wollen durch ein Gruppeninternes Dot-Voting und präsentiert die Ergebnisse den anderen Teilnehmern. Bei einer größeren Retrospektive kann die Methode auch mit einem sogenannten „Gallery Walk“ verbunden werden. Das bedeutet, dass die einzelnen Gruppen von Poster zu Poster gehen und sich anschauen, was auf den Postern steht.
Die zweite Möglichkeit ist es das Dot Voting in der großen Gruppe zu machen und alle Themen gemeinsam zu sprechen. In der Praxis sollte das Vorgehen eher intuitiv entschieden werden. Faktoren wie bspw. Gruppengröße und -initiative aber auch das Zusammenspiel im Team haben hier einen großen Einfluss.
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das Vorgehen in der Retrospektive viel Einfühlvermögen und Initiative des Scrum Masters abverlangt. Die Stimmung im Team ist oft abhängig vom Verlauf des Sprints, der persönlichen Beziehungen und vor allem der Offenheit im Team. Hier ist es besonders wichtig eine vertraute Umgebung zu schaffen und die Teilnehmer mitzunehmen.
Ich persönlich empfinde die 4L-Technik als eine sehr simple Möglichkeit die Stimmung im Team aufnehmen zu können und gleichzeitig Verbesserungsvorschläge des Teams unterzubringen.